Dogma
entführt hatte. Er durfte jetzt nicht aufgeben, und sie durften auch das Buch nicht opfern, um sich selbst zu retten. Er musste es schaffen – für sie.
Er hielt das Gaspedal durchgetreten.
«Agent Reilly –» Sharafi spannte sich an, die rechte Hand um die Armstütze gekrampft.
Reilly zuckte nicht mit der Wimper.
Nur den Bruchteil einer Sekunde vor dem Frontalzusammenstoß wurde die Straße breiter und mündete in eine weite Piazza beim Turm Nikolaus V., einer massigen, runden Befestigungsanlage, die Teil der ursprünglichen Stadtmauern des Vatikans war. Reilly riss das Steuer nach rechts herum, gerade noch rechtzeitig, um den heranrasenden Polizeiautos auszuweichen. Gleich darauf korrigierte er wieder nach links, zurück auf seinen pfeilgeraden Kurs. Als er einen Blick in den Rückspiegel warf, sah er beide Alfa Romeo gleichzeitig eine Handbremsenwendung ausführen, wobei die Reifen auf einer Seite ein wenig vom Boden abhoben; dann setzten sie die Verfolgung fort.
Die Straße voraus war jetzt frei, das Tor nicht einmal mehr hundert Meter entfernt. Es war dasselbe Tor, durch das Reilly bereits zweimal in den Vatikan gekommen war, ein imposantes Bauwerk, flankiert von Marmorsäulen, auf denen majestätisch zwei steinerne Adler thronten. Gerade eilten mehrere Schweizergardisten herbei, um die schweren schmiedeeisernen Torflügel zu schließen.
Nicht gut.
Reilly hielt das Gaspedal durchgedrückt. Seine Eingeweide krampften sich zusammen. Dicht gefolgt von den beiden Polizeifahrzeugen, raste er an mehreren Autos vorbei, die darauf warteten, durch das Tor auf die Hauptstraße hinausgewunken zu werden. Bei seinem Ausweichmanöver holperten die linken Reifen des Geländewagens über den Bordstein. Im nächsten Moment schoss er durch das Tor, wobei er die Torflügel durchbrach – ein ohrenbetäubendes Krachen von geborstenem Eisen und Stahl, augenblicklich gefolgt von einem Splitterhagel, als der hohe Aufbau des Papamobils den prächtigen Torsturz rammte und zerbarst.
Fußgänger an der belebten Straße außerhalb der vatikanischen Stadtmauer brachten sich panisch in Sicherheit, als Reilly mit kreischenden Reifen nach links abbog und die Via di Porta Angelica entlangraste. Als Sharafi einen Blick nach hinten warf, sah er den ersten Polizeiwagen aus dem Tor kommen und ebenfalls mit quietschenden Reifen nach links abbiegen, ihnen hinterher – und in diesem Moment erschütterte eine heftige Explosion die ganze Straße. Die Druckwelle schleuderte Reilly von seinem Sitz nach vorn.
Was zum –?
Reilly duckte sich instinktiv, brachte das Papamobil, das ins Schleudern geraten war, wieder unter Kontrolle und machte dann eine Vollbremsung. Seine Ohren klingelten, er fühlte sich benommen, und jeder Muskel war verkrampft. Wie unter Schock sah er Sharafi an. Der begegnete seinem Blick erstaunlich gefasst, so, als sei gar nichts geschehen. Reilly war vollauf damit beschäftigt, einen klaren Gedanken zu fassen und das surreale Szenario zu verarbeiten, aber der rätselhafte Blick des Iraners drang dennoch irgendwie zu ihm durch. Er sah sich um.
Die Straße vor dem Tor bot ein apokalyptisches Bild, wie aus dem Zentrum von Bagdad. Dicker schwarzer Rauch wölkte aus einem brennenden Autowrack – dem Wrack eines parkenden Autos, in dem sich offenbar eine Bombe befunden hatte. Sie musste genau in dem Moment explodiert sein, als der erste Alfa Romeo daran vorbeifuhr, denn das Polizeiauto war gegen die äußere Stadtmauer geschleudert worden, wo es, auf die Seite gekippt, liegen blieb. Ein weiteres Fahrzeug, anscheinend der zweite Alfa Romeo, war mit den Wracks mehrerer geparkter Wagen verkeilt. Die Straße war von Trümmern übersät, und noch immer prasselten Betonsplitter und Metallteile nieder. Menschen, sichtlich unter Schock, hinkten auf der Suche nach Angehörigen benommen umher oder standen einfach in ungläubiger Erstarrung da. Reilly war klar, dass es Tote gegeben haben musste, und sicher zahlreiche Verletzte.
«Wir müssen hier weg», sagte der Iraner.
Reilly, noch immer fassungslos, sah ihn von der Seite an.
«Bringen Sie uns weg von hier, sofort», beharrte der Mann. «Sie müssen an Tess denken.»
Noch einmal warf Reilly einen Blick nach hinten. Aus der Rauchwolke kamen jetzt mehrere Carabinieri zum Vorschein, die mit gezogenen Pistolen auf sie zurannten. Dann eröffneten sie das Feuer. Kugeln prallten vom Heck des ramponierten Geländewagens ab.
«Los», herrschte der Iraner Reilly an.
Reilly riss
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