Dogma
wie jemand, den man abrupt aus dem Schlaf gerissen hatte. In einer Hand hielt er einen Packen Formulare, mit denen er herumfuchtelte, während er sich an Steyl wandte.
«Mi scusi, Signore», stieß er atemlos hervor. Schweißperlen liefen ihm über die Stirn. «Entschuldigen Sie die Umstände, aber» – er suchte nach Worten – «wie Sie wissen, gab es gestern in Rom einen schweren Terroranschlag. Und jetzt müssen wir die Pässe aller Personen überprüfen, die hier auf dem Flugplatz abfliegen oder landen, und diese Formulare hier ausfüllen.»
Steyl sah den Mann einen Moment lang nachdenklich an, dann warf er einen Seitenblick zu Zahed, ehe er dem Feuerwehrmann mit breitem Lächeln antwortete: «Kein Problem, mein Freund. Überhaupt kein Problem.» Er wandte sich Zahed zu. «Der Herr möchte Ihren Pass sehen.»
«Selbstverständlich», erwiderte Zahed höflich.
Steyl sah wieder den Feuerwehrmann an, deutete zum Cockpit und sagte langsam und mit übertriebener Betonung, als versuche er, einem Kleinkind vom Mars etwas zu erklären: «Ich hole nur eben meinen Pass aus der Tasche, ja?»
Der Mann nickte und wischte sich die Stirn mit einem Taschentuch ab. «Grazie mille.»
Zahed ging ins Kabineninnere zurück und suchte die Pässe aus seinem Aktenkoffer, beides Fälschungen. Für sich selbst wählte er aus einem ganzen Stapel Pässe verschiedener Nationalitäten einen saudi-arabischen aus. Derjenige, den er für Simmons in aller Eile hatte anfertigen lassen, wies ihn als Bürger von Montenegro aus, ebenso wie die beiden für Tess Chaykin und Behrouz Sharafi. Die Formulare stammten aus einem ganzen Karton Blankopässe, die er sich einmal über einen korrupten Mitarbeiter des montenegrinischen Innenministeriums beschafft hatte. Bei der Einreise zwei Tage zuvor hatte Zahed die Dokumente nicht gebraucht. Nach der Landung war Steyl allein ausgestiegen und lässig zum Tower hinübergeschlendert, um den Papierkram zu erledigen. Später am Abend war er mit dem Mietwagen wieder zum Flugzeug gekommen und hatte Zahed geholfen, im Schutz der Dunkelheit seine sedierten Geiseln hinauszuschmuggeln.
Jetzt wurde die Sache komplizierter, doch damit hatte Zahed bereits gerechnet. Als er einen Blick auf den Feuerwehrmann warf, sah er, wie dessen Blick auf Simmons ruhte, der ohne jede Bewegung dasaß, das ausdruckslose Gesicht starr nach vorn gerichtet, die Augen hinter der Sonnenbrille verborgen. Zahed beschlich ein leichtes Unbehagen. Durch die Sitzlehne vor den Blicken von Steyl und dem Feuerwehrmann geschützt, griff er noch einmal in seinen Aktenkoffer und zog die leichtgewichtige Glock 28 heraus, seine bevorzugte Pistole mit erweitertem Neunzehn-Schuss-Magazin. Er steckte sich die Waffe hinten in den Gürtel.
An der Kabinentür trafen er und Steyl zusammen, die Pässe in den Händen.
«Ihr Freund – geht’s dem nicht gut?», erkundigte sich der Feuerwehrmann.
«Der? Ach, dem fehlt nichts», erwiderte Zahed leichthin, während er dem Italiener die Pässe reichte. Und augenzwinkernd fügte er hinzu: «Er hat nur gestern Abend ein bisschen zu ausgiebig eurem
Montepulciano
zugesprochen.»
«Ah.» Der Feuerwehrmann entspannte sich sichtlich und begann, die Pässe durchzublättern.
Umständlich hielt er Zaheds Pass mit einer Hand aufgeschlagen, während er mit der anderen die Formulare auf seinen Knien ausfüllte. Als er damit fertig war, steckte er den Pass hinter die anderen und schlug den von Simmons auf. Nach einem Blick hinein legte er den Pass beiseite und begann, in seinen Unterlagen zu blättern; offenbar suchte er nach etwas. Mit einem verlegenen Grinsen sah er zu Zahed und Steyl auf, dann wandte er sich wieder seinen Papieren zu – bis er bei einem davon stutzte. Er hatte schon weitergeblättert, doch dann hielt er inne und zog das Blatt aus dem Stapel, um es genauer anzusehen. Und dann tat er etwas, das er nicht hätte tun sollen: Er sah Simmons an. Ein Blick, weder zufällig noch beiläufig. Ein verstohlener Blick, der Bände sprach. Ein Blick, der Zahed veranlasste, hinten in seinen Hosenbund zu greifen, in einer ruhigen, flüssigen Bewegung die Pistole zu ziehen und sie auf das Gesicht des Feuerwehrmannes zu richten.
Zahed hob die freie Hand und legte stumm den Finger an die Lippen, um dem Feuerwehrmann zu signalisieren, er habe zu schweigen. Dann streckte er die Hand nach den Formularen und den Pässen aus. Das Gesicht des Feuerwehrmannes wurde noch verkrampfter, sein Blick huschte nach rechts und
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