Dogma
hatten, sich ein Hotelzimmer zu suchen, sondern einfach dort geschlafen hatten. Tess hatte versucht, nähere Hinweise darauf zu finden, wohin Conrad und seine Gefährten unterwegs gewesen sein könnten, während Reilly und Ertugrul stundenlang über dem Überwachungsmaterial brüteten, das sie von der CIA und aus türkischen Quellen bekommen hatten. Sie suchten nach irgendetwas, was darauf hindeutete, wer hinter dem Vatikan-Bomber stand. Außerdem mussten sie Telefonate mit ihren Vorgesetzten sowohl in Langley als auch in Fort Meade führen, dem Hauptquartier des militärischen Nachrichtendienstes NSA , wo abgehörte Telefonate und Internet-Kommunikation ausgewertet wurden. Die große Frage lautete: Wie kam der Bombenleger aus Istanbul an seinen Zielort?
Bei Sonnenaufgang hatten sie noch keine Erfolge zu verbuchen. Das Einzige, was sie in der Hand hatten, war der jüngste Bericht von der örtlichen Polizei, die ihnen mitteilte, welche Fahrzeuge in den letzten achtundvierzig Stunden in und um Istanbul gestohlen gemeldet worden waren. In diesem kurzen Zeitraum waren es natürlich nicht viele, die Liste umfasste siebenundfünfzig Wagen. Mehr als die Hälfte hatten Reilly und Ertugrul ausschließen können, weil sie für eine zehn- bis zwölfstündige Fahrt nicht brauchbar gewesen wären. Anschließend hatten sie gewartet, während das Material in das Informationsnetz MOBESE eingespeist wurde, das die Daten von mehr als tausend Überwachungskameras der Stadt mit Hilfe spezieller Erkennungssoftware auf die in Frage kommenden Nummernschilder hin auswertete. Mehrere der Fahrzeuge von der Liste waren an unterschiedlichen Orten von Kameras erfasst worden, und da Reilly und Ertugrul wussten, wohin der Bombenleger unterwegs war, konnten sie die Zahl der in Frage kommenden Wagen weiter eingrenzen. Vierzehn blieben am Schluss übrig. Dann, kurz nach Tagesanbruch, kam die Zusage vom Kommando der Luftstreitkräfte, dass sie eine der Überwachungsdrohnen zur Verfügung gestellt bekamen. Die Global Hawk befand sich am Persischen Golf auf der Al Udeid Air Base in Katar und wurde gerade für den Start vorbereitet. Im Laufe des Vormittags würde sie das zu überwachende Gebiet erreichen. Die Liste der verdächtigen Fahrzeuge war an das Kontrollzentrum des 9th Reconnaissance Wing in der Beale Air Force Base in Kalifornien durchgegeben worden, hier würden Computer die Videoübertragung von der Drohne auf Übereinstimmungen analysieren.
Jetzt konnten sie nur noch warten. Und hoffen. Und versuchen, nicht zu viel daran zu denken, was bisher geschehen war und welche Fehler sie möglicherweise gemacht hatten.
Reilly sah Tess an, die neben ihm saß. Tess spürte seinen Blick und schaute von ihrem Notebook auf. Selbst nach einer beinahe schlaflosen Nacht in einem unbehaglichen Konferenzraum waren das Funkeln in ihren Augen und der schelmische Zug um ihren Mund noch immer da. Reilly musste lächeln, aber es war ein müdes Lächeln, das nicht seine Augen erreichte.
Tess bemerkte es. «Was ist?»
Er war zu erschöpft, um sich eine Antwort abzuringen. Stattdessen fragte er seinerseits: «Schon zu einem Schluss gekommen?»
Sie musterte ihn einen Moment lang, als überlegte sie, ob sie auf die Frage eingehen sollte. Dann senkte sie den Blick wieder auf ihr Display. «Ich glaube schon. Ich bin allerdings nicht sicher, ob es genügt, um Conrads Grab zu finden, solange wir nicht wissen, auf welcher Seite des Berges das Kloster liegt. Aber die Aussicht besteht.»
«Zeig mal», bat Reilly und beugte sich zu ihr hinüber.
Tess drehte das Notebook so, dass er das Display sehen konnte, und deutete auf die abgebildete Karte. «In dem Bekenntnis vor seinem Tod hat der Mönch geschrieben, im Kloster hätten sie gesagt, Conrad und seine Männer hätten nach Korykos gewollt. Das liegt hier unten, an der Küste.» Sie zeigte auf eine kleine Stadt an der Südküste des Landes. «Nahe beim heutigen Kızkalesi.»
«Er könnte sich geirrt haben», wandte Reilly ein. «Oder vielleicht haben sie ihn angelogen.»
«Möglich, aber ich glaube es nicht. Ich meine, das ergibt schon einen Sinn – sie hatten keine große Wahl. 1310 war der Orden bereits ausgelöscht. Im westlichen Europa wurden die letzten Überlebenden verfolgt, dorthin konnten sie also nicht gehen. Und nach Osten auch nicht, weil die Muslime die gesamte Küste zurückerobert und ihre Festungen geschleift hatten.»
«Und wohin wollten sie dann?»
«An den einzigen Ort, an den zu gehen
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