Dogma
naheliegend war: zurück nach Zypern. Conrad hatte wahrscheinlich noch Freunde auf der Insel. Und die Männer des Papstes waren dort nicht besonders mächtig. Auf Zypern konnte er relativ sicher untertauchen, um den nächsten Schritt zu überlegen. Und das bedeutet, um an die Küste zu gelangen, mussten sie nach Süden ziehen und einen Pass über das Taurusgebirge nehmen. Die Frage ist nur, welchen?»
Reilly wirkte ein wenig geistesabwesend.
Tess musterte ihn einen Moment lang, dann sagte sie: «Du hast mir da einen Heidenschreck eingejagt, ist dir das eigentlich klar?»
Er runzelte die Stirn. «Wovon redest du?»
«Vor dem Patriarchensitz. Wie du den Kerl verfolgt hast, du bist losgestürmt wie eine Ein-Mann-Armee … Und dann bist du sogar in den Fluss gesprungen.» Sie schwieg einen Moment lang, dann fügte sie hinzu: «Es war nicht deine Schuld, Sean.»
«Was war nicht meine Schuld?»
«Was im Vatikan passiert ist. Die Bomben und all das. Himmel, ich bin mehr dafür verantwortlich als du.» Sie beugte sich zu ihm hinüber und umschloss seine Hände. «Ich weiß, du brennst darauf, ihn zur Strecke zu bringen. Und ich will noch dringender, dass dieser Dreckskerl von der Erde verschwindet. Aber du kannst nicht einfach so ausrasten. Du musst deine Wut unter Kontrolle halten, sonst wird dir noch etwas zustoßen. Und die Vorstellung ängstigt mich zu Tode. Ich will nicht, dass dir etwas passiert.»
Reilly nickte stumm. Sie hatte in gewisser Weise recht; der Zorn trübte sein Urteilsvermögen. Das Problem war nur, er wusste, wenn er es mit jemandem wie diesem Bombenleger aufnehmen wollte, durfte er keine halben Sachen machen. Wollte er auch nur die geringste Chance haben, den Kerl zur Strecke zu bringen, dann musste er alles geben. Das gehörte zum Job. Doch daran brauchte er Tess nicht immer wieder zu erinnern.
Er rang sich ein schiefes Lächeln ab. «Das war keine große Sache, ehrlich. Du weißt doch, ich habe eine gewisse Ausbildung in solchen Dingen.»
Tess nahm es ihm nicht ab. Sie sah ihn fest an und zog ihre Hand zurück. «Ich meine es ernst, Sean. Ich will nicht, dass du mir stirbst. Nicht hier, nicht jetzt, überhaupt nicht. Wir haben doch noch einiges vor, oder nicht?»
Diese Bemerkung traf ihn überraschend und ließ Erinnerungen an das aufsteigen, was sie beide vor Monaten gemeinsam durchgemacht hatten. Nach kurzem Zögern sagte er: «Mach dir keine Sorgen, mich wirst du nicht so schnell los.»
Ihr Gesicht nahm einen traurigen Ausdruck an. «Aber
ich
habe
dich
verlassen. Und es tut mir leid, es tut mir wirklich leid. Aber kannst du es nicht verstehen? Warum ich gehen musste?»
Fetzen von ihrem letzten Gespräch klangen leise in seinen Ohren. «Hat sich etwas geändert?»
Tess atmete tief durch und warf einen Blick aus dem Fenster. Das war eine Frage, über die sie nicht gern nachdenken wollte. «Was, wenn es mit uns beiden einfach nicht sein soll?», fragte sie schließlich. «Werden wir darüber hinwegkommen, oder wird es ewig eine Lücke in deinem Leben bleiben, die ich nicht ausfüllen kann?»
Reilly dachte kurz nach, dann zuckte er die Schultern. «Wenn man bedenkt, was wir hier tun, weshalb wir hergekommen sind … dann frage ich mich, ob wir es überhaupt hätten versuchen sollen.»
Ihr Gesicht nahm einen überraschten und verwirrten Ausdruck an. «Jetzt kommen dir Zweifel? Ob wir ein Kind haben sollten?»
«Die Frage ist jetzt wohl müßig, wie?»
«Was, wenn sie es nicht wäre?»
Er überlegte einen Moment lang und stellte überrascht fest, dass er sich nicht mehr sicher war. «Ich weiß nicht. Sag du’s mir. Ich meine, das hier ist nun mal unser Leben. Du spürst lange verlorenen Geheimnissen nach und rufst dabei anscheinend alle möglichen Irren auf den Plan, und mein Job ist es, Kerlen nachzujagen, die davon träumen, Flugzeuge in Türme zu jagen. Was wären wir für Eltern gewesen?»
Tess wischte seine Bedenken beiseite. «Was sollen wir denn tun, all das aufgeben und jeden Abend bei Kamillentee Scrabble spielen? Du sagst es selbst, das hier ist unser Leben, das sind wir. Und trotzdem wären wir tolle Eltern. Daran zweifle ich keine Sekunde.»
Sie sah ihn schief lächelnd an und fasste wieder seine Hand. «Hör zu, mach dir keine Sorgen – du bist ein Mann. Du musst keine Kinder kriegen. Sag mir nur, dass wir darüber hinwegkommen können, wenn es nicht klappt … und mach dich in der Zwischenzeit nicht zur Zielscheibe für diesen Irren. Abgemacht?»
Plötzlich wurde
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