Dohlenflug
Chrissie über
das, was da drinnen passiert ist, zu informieren«, sie deutete mit
dem Daumen hinter sich, »darum beneide ich die Salli wirklich nicht.
Fredl hat Chrissie immer sehr knapp gehalten. Ihre guten schulischen
Leistungen waren für ihn immer selbstverständlich, und trotzdem
liebte sie ihn abgöttisch. Und drittens steht Sallis Verhältnis
zu Fredls Chef, John Silver, jetzt unter neuen Vorzeichen. Sie ist Mitte
dreißig und recht sexy, er fünfzig und Witwer.«
»John Silver?«,
klinkte sich Kotek wieder ein. »Das ist doch ein Witz. So heißt
der Filialleiter der Linzer Sparkasse doch nicht wirklich, oder?«
»Nein, Johnny hat schon
in der Schulzeit bei einem Unfall ein Auge eingebüßt. Deshalb
und wegen seiner ziemlich rüden Geschäfts- und Personalpolitik
hat ihm irgendwer mal diesen Spitznamen verpasst, der dann prompt an ihm hängen
geblieben ist. Laut Taufschein heißt er aber Jean Pierre, Jean
Pierre Regenmandl.«
»Jean Pierre? Das ist
ja fast noch komischer als sein Spitzname«, warf Feuersang ein.
»Warum nicht Hans-Peter?«
»Weiß der Teufel,
was sich seine Eltern dabei gedacht haben«, sagte Resi Neuhuber
achselzuckend. »Sein Vater war übrigens Fleischhauer. Ich erwähn
das nur, weil vorhin von Metzgern die Rede war.«
»Du hast gesagt, die
Beziehung von Salli Schleißheimer zu Regenmandl würde nun unter
neuen Vorzeichen stehen«, knüpfte Feuersang an, ohne auf die
letzte Anmerkung einzugehen. »Das heißt, zwischen den beiden
besteht bereits eine Beziehung?«
»Klar, das weiß
jeder hier in Gastein. Von Johnny bezieht sie auch regelmäßig
Prügel wegen ihrer One-Night-Stands mit diversen Beihirschen. Prügel,
die ihr vom Ehemann übrigens nie gedroht haben. Trotzdem kommt sie
nicht von Johnny los und er nicht von ihr. Eigentlich überraschend
bei zwei so kaltschnäuzigen Hyänen. Jedenfalls gewinnt Salli
nach diesem Vorfall, egal, ob Johnny sie nun heiratet oder nicht.«
Und mit einem leisen Unterton von Neid fügte sie hinzu: »Sie
muss es wirklich draufhaben.«
»Sie meinen also, für
so einen Zugewinn kann man schon ein paar Watschen wegstecken?«,
konnte Melanie Kotek sich nicht zurückhalten einzuwerfen.
Resi Neuhuber drehte beide
Handflächen nach oben und ließ die Frage unbeantwortet.
»Regenmandl ist Witwer,
sagten Sie. Seit wann?«, fragte Kotek.
»Schon seit ein paar
Jahren«, gab Resi Neuhuber nun wieder bereitwillig Auskunft. »Er
und seine Frau Edda haben aber schon lange vor ihrem tödlichen
Autounfall getrennt gelebt. Sie konnte seine Schläge nicht so gut
wegstecken wie Salli. Der Scheidungstermin stand bereits fest, doch das
Schicksal wollte es anders. Mit dem Autounfall hatte Johnny aber nichts zu
tun«, beeilte sie sich hinzuzufügen. »Tja, so ungerecht
kann’s manchmal zugehen in der Welt. Johnny hat die Verstorbene dann
natürlich noch beerbt und sich nicht entblödet, sich in allen
Salzburger Zeitungen kondolieren zu lassen, als wäre er noch glücklich
verheiratet gewesen.«
»Ein wahrer Gemütsmensch«,
sagte Feuersang, und Resi Neuhuber nickte.
»Ja, mit dem Gemüt
eines Metzgerhundes. Aber gerade deshalb glaube ich nicht, dass er etwas
damit zu tun hat.« Sie deutete wieder mit dem Daumen hinter sich.
»Johnny hat in Fredl bestimmt kein Hindernis gesehen. Im Gegenteil:
Es passte ihm ganz gut, dass Salli verheiratet war.«
»Sie meinen, weil
Beziehungen zwischen Sexualpartnern ohne festgeschriebene Verpflichtungen
angeblich weniger konfliktreich sind?«, fragte Kotek.
»Sexualpartner ohne
festgeschriebene Verpflichtungen? Hm, ich weiß zwar nicht genau, was
Sie darunter verstehen, vermute aber, dass Sie recht haben. Es täte
jeder Beziehung gut, wenn man nicht immer aufeinanderklebt. Aber selbst
wenn Johnny wirklich etwas mit Fredls Ermordung zu tun hätte: Salli wäre
sicher nicht der Auslöser gewesen.«
»Ah, dann machen also
Sie jetzt unsre Arbeit, Miss Marple?«, fragte Melanie Kotek.
»Natürlich nicht.«
Resi Neuhubers hellblaue Augen konnten überraschend eisig blitzen.
»Ich kann auch gar nichts mehr sagen. Bitte sehr. Wenn ich Ihnen zu
sehr auf die Nerven gehe …«
»Meine Kollegin wollte
doch nur einen Scherz machen.« Feuersang versuchte sie zu besänftigen
und legte ihr die Hand auf den Unterarm. »Vergiss deinen Grant und
sag mir jetzt, was du noch sagen wolltest.«
Augenblicklich beruhigte sich
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