Dohlenflug
Resi Neuhuber. »Also, da ist noch etwas Bemerkenswertes.«
»Du meinst, dass die
Eltern von Regenmandl Fleischhauer waren und er vermutlich mit einem
Schlachtmesser umgehen kann?«
»Das auch, aber ich hab
eigentlich was anderes gemeint: Johnny hatte schon vor dem
Techtelmechtel mit Salli
gelegentlich Freundinnen neben seiner Frau. Eine davon war Charlotte
Heinrich, die Bachblüten-Lotte.«
»Und? Was ist das
Besondere an der Bachblüten-Lotte?«, fragte Feuersang mit
Engelsgeduld.
»Zunächst einmal
ist sie eine sehr gute Masseurin und Chiropraktikerin. Ich gehe jede Woche
mindestens ein Mal zu ihr. Hab’s im Kreuz, bin ja auch nicht mehr
die Jüngste. Aber ihren großen Kundenstock verdankt sie nicht
nur ihren begnadeten Händen. Als Kräuterfrau ist sie noch
gefragter. Sie kennt für fast jedes organische Leiden einen Sud, ein
Öl, einen Extrakt oder weiß der Teufel was. Beide Fähigkeiten
sichern ihr ein ansehnliches Einkommen, was ihr auch vergönnt sei,
schließlich hatte sie eine mehr als trostlose Kindheit und Jugend.
Den Job als Tierpräparatorin betreibt sie nur gelegentlich und als
Hobby. Geerbt hat sie ihn von ihrem Vater, der vor Jahren auf rätselhafte
Weise verschwunden ist.«
»Was du nicht sagst!«
Feuersangs Aufmerksamkeit glich der eines Kleinkindes vor dem
Weihnachtsbaum, und Resi Neuhuber lief zu eloquenter Hochform auf.
»Ja, und Lotte hat dann
auch einige Jahre an der amerikanischen Pazifikküste gelebt«,
sagte sie mit geröteten Wangen. »Zwei davon bei den Klingit,
einem Indianerstamm in der Nähe von Seattle. Und stell dir vor: Wegen
ihrer medialen Fähigkeiten hat sie von einem Schamanen sogar einen
Totem-Namen verliehen bekommen: Jechlidi – Rabenkind.«
Resi Neuhuber hob beide Hände
und überkreuzte Zeige- und Mittelfinger, als wolle sie damit
irgendwelche magischen Kräfte von sich fernhalten. »Als Julie,
die Tochter von Lotte, ins schulpflichtige Alter kam, sind beide wieder
nach Gastein zurückgekehrt, und Lotte hat sich innerhalb kurzer Zeit
die Existenz als Chiropraktikerin und Kräuterfrau aufgebaut. Unter
den Einheimischen gehen die Meinungen über sie ziemlich auseinander.
Aber in zweierlei Hinsicht sind sich alle einig: Sie ist eine sehr
interessante Frau, und in früheren Zeiten hätte man sie ganz
sicher als Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt.«
»Meinen Sie etwa, dass
Sie eine Verbindung zwischen den mit Blut aufgemalten Zeichen auf Schleißheimers
Leichnam und dieser Frau sehen?« Wie meistens hatte Melanie Kotek
schneller kombiniert als ihre Kollegen.
Neuhuber stimmte das wieder
versöhnlich. Sie nickte. »Sie schalten ziemlich schnell. In
Lottes kleinem Holzhaus in Luggau finden sich viele solcher Zeichen. Die Wände
ihrer Praxis sind übersät davon.«
»Das würde die
Frau aber eher entlasten«, meinte Pernauer, der eben mit Stubenvoll
aus der Hütte getreten war. »Sie würde doch niemals
–«
»Danke, Wastl«,
unterbrach ihn Kotek hastig. »Frau Neuhuber weiß natürlich
selbst, dass hier möglicherweise eine falsche Fährte gelegt
wurde. Kannst du uns schon Genaueres über die Todeszeit sagen?«
Sie zückte ihr Handy.
»Der Mann ist gestern
Nachmittag ermordet worden«, erklärte Pernauer etwas
verschnupft über die brüske Unterbrechung. »Vermutlich
zwischen vierzehn und achtzehn Uhr, kann aber auch später gewesen
sein. Einen exakteren Todeszeitpunkt gibt’s übermorgen nach der
Obduktion.«
»Ich bin vielleicht
nicht Miss Marple«, sagte Resi Neuhuber mit einem vielsagenden
Seitenblick auf Kotek, »aber auch nicht irgendeine depperte Gebirgsbäuerin.
Natürlich wären die Malereien à la Hermann Nitsch ein
ziemlich plumper Hinweis auf die Heinrich.«
»Apropos Malereien«,
warf Kotek ein, »ich muss Sie bitten, mit niemandem über die
Bemalung und die Verstümmelung der Leiche zu reden, auch nicht mit
Ihren Angehörigen. Je weniger spezifische Infos nach außen
dringen, umso größer ist unser Vorteil bei Vernehmungen. Sie
verstehen das sicherlich?«
Resi Neuhuber nickte. »Natürlich
verstehe ich das. Aber Bluff hin oder her – unterm Strich hat auch
Lotte ein Motiv, nämlich Rache. Immerhin hat Salli, ihre ehemalige
Busenfreundin, ihr mal den Johnny ausgespannt.«
»Aber deshalb bringt
man doch nicht gleich jemanden um«, widersprach Feuersang. »Vor
allen Dingen nicht die
Weitere Kostenlose Bücher