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Dohlenflug

Dohlenflug

Titel: Dohlenflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Gracher
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während Sie weg waren«,
     fuhr Kotek fort, »und hätte Wegener bemerken müssen, wenn
     der sich in Ihrer Spur dem Haus genähert hätte.«
    »Tini ist allein zurückgekommen«,
     stellte Häuslschmied klar. »Ich hab sie schon von Weitem
     gesehen. Sie hat mir von draußen etwas zugerufen. Aber als ich
     öffnete, war plötzlich dieser Mensch da und hat uns ins Haus
     gescheucht.«
    Hohenauer blickte verärgert
     zu ihrer Großtante hinüber. »Das stimmt doch nicht,
     Mandi-Tant! Vielleicht hast du ja nicht immer hinausgeschaut. Der Mann war
     die ganze Zeit hinter mir. Ich musste am Gartentor stehen bleiben, erst
     dann ging er voraus, während er auf mich zielte, und stellte sich
     schließlich neben die Haustür, wo du ihn nicht sehen konntest.«
    Kotek schüttelte den
     Kopf, was man bei einer Gehirnerschütterung eigentlich tunlichst
     unterlassen sollte. Sofort wurde ihr schwindlig, und auch die Übelkeit
     verstärkte sich.
    »Zweifeln Sie nicht die
     Glaubwürdigkeit Ihrer Großtante an, Tina«, sagte sie
     ächzend. »Hätten Sie Ihre Aufgabe ernst genommen, dann hätten
     Sie sie gar nicht erst allein gelassen. Aber Sie mussten ja raus, um Frau
     Häuslschmied abzulenken und Ihrem Komplizen das Näherkommen zu
     ermöglichen. Das Geräusch Ihrer Schritte sollte das von seinen
     überdecken. Deshalb auch die Show mit den Schmelzsicherungen.«
    Die so Beschuldigte zerrte
     aufgebracht an ihren Handschellen. »Was … was reden Sie denn
     da für ein wirres Zeug?«
    »Seien Sie leise, ich
     bitte Sie! Es geht hier nämlich nicht nur um Frau Häuslschmieds
     und mein Leben, sondern auch um Ihres«, mahnte Kotek, und sie meinte
     ihre Worte durchaus ernst.
    »Natürlich geht es
     um unser aller Leben«, pflichtete ihr das Mädchen achselzuckend
     bei.
    »Aber Ihnen ist um
     Ihres nicht bange, Tina. Sie träumen davon, die Früchte dieses
     Coups gemeinsam mit Ihrem Liebhaber irgendwo fernab der Heimat genießen
     zu können. Aber, und jetzt hören Sie mir mal ganz genau zu: Er
     kann es sich nicht leisten, auch nur eine von uns leben zu lassen, nicht
     einmal eine nützliche Freundin.«
    Der Schuss saß.
     Hohenauer lief ebenso rot an wie vorhin, als Wegener behauptet hatte, sie
     sei die Geliebte Marageters. Dass beides zutraf, dessen war sich Kotek
     sicher.
    Sie bemühte sich,
     sachlich zu bleiben, und wählte ihre Worte mit Bedacht: »Tina,
     nicht Marageter hat Fredl Schleißheimer und Lotte Heinrich
     erstochen, sondern Wegener. Er hat den Brief, mit dem Hans Häuslschmied
     Lotte Heinrich aus den USA zurücklocken wollte.«
    »Aber ist jemand, der
     das Briefgeheimnis verletzt, denn gleich ein Mörder?«,
     protestierte Hohenauer schwach.
    »Wer sonst als der Mörder
     hätte riskiert, dieses wichtige Schreiben in Anwesenheit eines so
     erfahrenen Kriminaltechnikers wie Bezirksinspektor Stubenvoll an sich zu
     nehmen? Marageter jedenfalls ist kein Hasardeur, der alles auf eine Karte
     setzt. Übrigens hat man ihn vor Kurzem mit einem seiner Betthasen in
     der Wolkerl-Hütte gefunden – volltrunken und aufgelöst in
     Selbstmitleid.« Sie verschwieg bewusst, dass es Salma Schleißheimer
     war, die dem Gesuchten in der Stunde der Not beigestanden hatte.
    »Mit einem seiner
     Betthasen«, wiederholte Hohenauer prononciert. Dann konnte sie nicht
     mehr an sich halten, und es platzte grimmig aus ihr heraus: »Ja, dafür
     ist ihm unsereins gut genug, dem Pauli: fürs Bett! Aber wenn frau
     etwas mehr will – nein, o Gott, kein Eheversprechen oder sonst was
     Schwerwiegendes! –, nein, nur ein wenig mehr Zeit, Aufmerksamkeit
     und Zuwendung – ja doch: Zuwendung! –, dann zieht der coole
     Pauli nicht nur sein bestes Stück, sondern gleich sämtliche
     Antennen ein.«
    »Und genau diese Enttäuschung«,
     unterstellte Kotek, »hat Sie empfänglich für Wegeners
     Avancen gemacht, nicht wahr?« Als sie keine Antwort erhielt, fuhr
     sie fort: »Jedenfalls hat Marageter heute haarklein erzählt,
     womit er bis dato erpressbar war. Vor fast zwanzig Jahren hat er die Aufklärung
     eines Mordes behindert beziehungsweise ihn verschleiert. Schlimm für
     ihn, wenn er noch Beamter wäre, ist er aber nicht mehr. Marageter mag
     ein Windhund sein, aber davon, ein kompromissloser Serienmörder zu
     sein, ist er ebenso weit entfernt wie wir drei, und er hat Sie, Tina,
     heute Vormittag auch ganz bestimmt nicht angerufen oder angesimst.«
    Die Ermittlerin hielt einen
     Moment inne. Die nächsten Sätze waren

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