Dohlenflug
betrafen, hab ich gleich eingesteckt.
Ich musste nicht einmal reinhören, außen stand sorgfältig
mein Name drauf. Abends bin ich dann ein zweites Mal nach Hofgastein
gefahren und ins Haus eingestiegen, um Nachlese zu halten. Hätte ja
sein können, dass Fredl noch irgendwo irgendeinen Hinweis hinterlegt
hatte. Aber es war unnötig, mich der Aufmerksamkeit der Nachbarn
auszusetzen.«
»Hast du Schleißheimer
gedroht?«
»Ja, aber nicht damit,
ihm etwas anzutun. Weil er so ein Angsthase war, hab ich ihn zunächst
an seine Rentner-Sparbuch-Nummer erinnert, die er in Zell am See geschoben
hat. Als das allein nicht mehr zog, hab ich ihm die Bloßstellung als
Defraudant und Stecher minderjähriger Mädchen in Aussicht
gestellt. Das war alles. Außerdem: Ich war ja bereits am Boden,
warum also hätte ich ihn noch umbringen sollen? Paul dagegen steht
der tiefe Sturz noch bevor. Er hat deshalb darauf bestanden, Schleißheimer
aus dem Verkehr zu ziehen, was er ja letztlich auch getan hat.«
Auch diese Behauptung ließ
Kotek unkommentiert, aber die Frage, weshalb Wegener die Morde nach wie
vor abstritt, versetzte sie in Alarmzustand. Es ging schließlich um
ihr Leben – und das ihrer Mitgefangenen.
Doch sie hatte jetzt keine
Zeit, solchen Gedanken noch länger nachzuhängen. Wegener nahm
aus einer Innentasche seines Parkas, der neben ihm auf der Sitzbank lag,
ein Messer und zog es aus der Schweinslederscheide. Es hatte einen
stabilen Griff aus orangefarbenem Hartplastik und sah aus wie ein oft
geschliffenes Küchenmesser. Kotek wurde nicht nur als Folge der
Gehirnerschütterung flau im Magen. Sie hatte die Tatortbesichtigung
in der Rettenwänd-Hütte vor Augen, wo Pernauer ein
Schlachtmesser mit exakt diesen Attributen beschrieben hatte.
»Tja, für einen
kleinen Plausch sollte immer Zeit sein«, sagte der abgehalfterte
Adelsspross, während er die Schärfe der Klinge mit der
Daumenkuppe prüfte. »Besonders dann, wenn man dadurch erfährt,
was man wissen will. Aber irgendwann ist auch Schluss mit lustig. Ich habe
nicht drei Nächte hintereinander fast kein Auge zugetan, nur um am
Ende den kleinen Vorsprung, den ich mir in letzter Minute erarbeitet habe,
wieder zu verspielen.«
Ruckartig erhob er sich, ging
zu den am Boden sitzenden Frauen und postierte sich so neben Hohenauer,
dass Häuslschmied sowohl sie als auch ihn im Blickfeld hatte.
»Ich mache es kurz«,
sagte er an die alte Frau gewandt. »Wenn du mich nicht zum Schatz führst,
der sich nach Lotte Heinrichs Notizen hier ganz in der Nähe in
irgendeinem der alten Stollen befinden soll, dann schneide ich Tina die
Finger ab. Einen nach dem anderen.« Unangenehm nachdrücklich
demonstrierte er, wie er dabei vorgehen würde, bevor er ohne Hast
wieder zur Sitzecke zurückging.
Ohne Hast? Nein, viel eher
war der Mann todmüde, fertig und hatte sicher nicht nur mutwillig
darauf hingewiesen, tagelang kaum geschlafen zu haben. Jetzt bemerkte
Kotek auch Wegeners gerötete Nasenflügel – eine
Beobachtung, die sie durchaus schon früher gemacht, aber noch nie
kritisch hinterfragt hatte, man war ja schließlich unter Kollegen.
Jetzt aber fiel es ihr wie Schuppen von den Augen: Wegener war also nicht
nur Spieler, sondern auch Kokser. Kein Wunder, dass er nichts als Schulden
hatte.
In Zeitlupentempo steckte er
das Messer in den Parka zurück, setzte sich neben Häuslschmied
und zog aus einer Hosentasche eine kleine Alu-Dose mit Stecknadeln hervor.
Er nahm eine heraus und hielt sie der Greisin unter die Nase.
»Vorher treibe ich der
Tina allerdings sukzessive eine von diesen Nadeln unter die Fingernägel,
bis hinein ins Nagelbett. Das tut unerträglich weh. Mit dieser
Methode haben sich im Vietnamkrieg die Vietkong und die GIs gegenseitig
gefoltert, um Infos zu bekommen. Sie wirkt immer, und ich glaube kaum,
dass du das Geheul von Tina aushalten wirst. Sollte das wider Erwarten
doch der Fall sein oder Tina zu früh ohnmächtig werden, dann
kommst du selbst dran.«
»Und warum
veranstaltest du diese Sauereien nicht mit der Kripo-Tussi?«, fragte
Häuslschmied scheinbar ungerührt.
»Weil dir das bei der
Kripo-Tussi, wie du sie nennst, wurscht wäre. Deine Ausdrucksweise
verrät dich ja. Du hast zwei Stunden Zeit, dir zu überlegen, wie
du dich entscheidest. Leider kann ich die Dosis Pentetrazol nicht mehr erhöhen,
um munter zu bleiben. Ich
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