Dohlenflug
vor.
»Wenn wir erst drinnen sind und die Kreuzungen der Siglitz-Stollen
mit ihren unzähligen Fahrten und Schächten erreicht haben, möchte
ich denjenigen sehen, der uns durch dieses Gewirr von Gängen folgen
kann. Die Nachschlüssel für beide Tore befinden sich an meinem
Schlüsselring, und der ist dort in meiner Handtasche.«
»Für beide Tore?«,
entfuhr es Kotek fast zu laut. In wesentlich gedämpfterem Ton
vergewisserte sie sich: »Also auch für das Tor im Nachbartal,
in Kolm-Saigurn?«
Die Greisin nickte. »Wie
ich schon sagte: Die Schlüssel befinden sich seit dem Tod meines
Mannes in meiner Handtasche – und wie sich nun herausstellt,
durchaus nicht umsonst.«
Kotek überlegte ein paar
Sekunden, dann hatte sie einen Entschluss gefasst. »Okay, wir
versuchen es. In der Kommode müssten zwei Taschenlampen sein, es sei
denn, Wegener hat auch die einkassiert.«
Diesmal konnte Hohenauer
beruhigen: »Nein, nur die Waffen, die Handys und die Tourenski, aber
er hat selbst eine Stablampe in seinem Rucksack, soviel ich weiß.«
In der Kommodenschublade
befanden sich neben den starken Stablampen auch Kugelschreiber und Papier.
»Weil Sie den Rucksack
erwähnen«, sagte Kotek, während sie eine kurze Notiz
schrieb und in den Aschenschuber steckte. »Oben im Speicher ist
einer von meinem Cousin, sogar mit Verbandszeug und Reserveunterwäsche.
Aber jetzt machen wir uns draußen im Flur erst mal winterfest.«
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REDLS HANDY läutete um
zehn nach zwei. Es war Jacobi.
»Ja, Oskar?«
»Schnallt eure Ski an
und dann rein mit euch ins Naßfeld«, sagte die Stimme, die
ihnen seit Jahren so vertraut war wie kaum eine zweite. »Es geht um
Melanies Leben und das der beiden anderen Frauen, Wegener ist unser Mann.«
»Unser Wegener?«
»Ganz genau. Unser
Werner Wegener, die rechte Hand von Stubi. Den haben wir übrigens
wiedergefunden. Aber jetzt sputet euch! Die Alpingendarmerie ist ebenfalls
informiert. Hubschrauberflug ist leider noch immer nicht möglich,
alles andere erfahrt ihr unterwegs.«
Redl und Feuersang stürmten
aus der Pension, warfen ihre Tourenausrüstung in den A4, rasten an
dem unermüdlich fahrenden Schneepflug vorbei hinauf zum Parkplatz
hinter der »Evianquelle« und parkten neben Koteks RS 4. Nach
zwei Minuten waren sie marschbereit, Redl steckte den Kopfhörer an
sein Handy, und schon trabten sie los.
»Oskar? Wir sind jetzt
auf dem Weg. Erzähl!«
»Ich hatte Melli gegenüber
auf ein Codewort bei ihren Meldungen an Hans oder mich bestanden, es war:
Batrachomyomachia.«
»Batra … –
was?«
»Das heißt
Froschmäusekrieg, und dass das Wort ein Zungenbrecher ist, tut jetzt
nichts zur Sache. Entscheidend ist, dass sie das Codewort immer dann sagen
soll, wenn wirklich alles in Ordnung ist. Grad eben hat sie Hans
angerufen, ohne es zu sagen.« Hinzuzufügen, dass sich Kotek in
höchster Gefahr befinden musste, war überflüssig.
»Aber wie bist du
ausgerechnet auf Wegener gekommen?«
»Ich hab ihn doch heute
Morgen auf seinem Hausanschluss angerufen – wegen Stubi, ihr
erinnert euch? Irgendwas passte mir dabei nicht, aber ich kam vorerst
nicht drauf, mein Unterbewusstsein wollte die Info einfach nicht
freigeben.«
»Jetzt mach’s
nicht so spannend, sag’s endlich.«
»Im Hintergrund waren
Lawinensprengungen zu hören. Und wo, bitte, finden in Salzburg-Wals
Lawinensprengungen statt? Außerdem war mir bei dem Gespräch das
Näseln von Werner aufgefallen. Nicht zum ersten Mal, aber bisher
hatte ich dem noch nie besondere Beachtung geschenkt.«
»Ehrlich gesagt ich
auch nicht«, gestand Redl, der sonst Flöhe husten hörte.
»Allerdings hat er oft gerötete Nasenflügel, wenn ich so
darüber nachdenke. Komisch, bei Außenstehenden wäre mir
das garantiert aufgefallen.«
»Schon unmittelbar nach
dem zweiten Mord war mir der Gedanke an einen Profi nicht mehr aus dem
Kopf gegangen«, setzte Jacobi fort. »Warum wohl hat der Typ
beim Einbruch in die Häuslschmied-Villa das Heulen der Alarmanlage
ganz lässig ignoriert? Weil er wusste, wo sich die Streife gerade
befand! Und so agierte er auch bei anderer Gelegenheit ungeniert vor
unsrer Nase, während unseren Favoriten die Stiefel eines
ausgebildeten Killers partout nicht passen wollten. Eventuell am ehesten
noch Marageter, aber der sitzt nachweislich mit einem Mordskater in der
Wolkerl-Hütte und wird dort
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