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Dohlenflug

Dohlenflug

Titel: Dohlenflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Gracher
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Amanda, nach allem, was mir Oma vor einigen Jahren kurz vor ihrem
     Abgang gesagt hat«, widersprach Wegener. »Sie wusste ja über
     meine Achillesferse Bescheid und hatte meine verkorkste Jugend hautnah
     miterlebt. Vor ihrem Tod hat sie mir eingeschärft, dich aufzusuchen,
     wenn ich einmal nicht mehr weiterwüsste. Du seiest im Besitz eines
     geheimnisumwobenen Goldschatzes, von dem du mir notgedrungen etwas abgeben
     würdest, wenn ich dich nachdrücklich darum bitte. Mit der Zeit
     vergaß ich das märchenhafte Vermächtnis allerdings und war
     deshalb freudig überrascht, als ich dem Gold in den Unterlagen von
     Fredl Schleißheimer und Lotte Heinrich wiederbegegnete.«
    Den Entschluss, ihn dir
     anzueignen, hast du aber schon Wochen zuvor gefasst, dachte Kotek, während
     Häuslschmied gehässig keifte: »Deine Oma hat dir Unsinn
     erzählt. Wahrscheinlich hat sie schon deliriert!«
    »Halt bloß den
     Rand, du altes Fossil!«, fuhr Wegener sie an und ließ die
     Maske der Umgänglichkeit wieder fallen. »Du bekommst schon noch
     Gelegenheit, dein Maul aufzumachen, und zwar bald. Die Fini-Oma empfahl
     mir, dich nachdrücklich       
    um die Herausgabe des Goldes
     zu bitten, und genau das werde ich jetzt tun.«
    »Mich bringst du nicht
     zum Reden, du Nichtsnutz, mich nicht«, giftete Häuslschmied zurück.
     »Es ist dir vorgestern Nacht nicht gelungen und wird dir auch jetzt
     nicht gelingen.«
    Wegener sah sie ausdruckslos
     an und verzichtete auf eine Entgegnung. Kotek versuchte ebenfalls
     schleunigst das Thema zu wechseln.
    »Aber auch, wenn du
     weitgehend enterbt worden bist, so hattest du doch immer noch das Erbe
     deiner Mutter, oder?«
    »Ja, jedenfalls bis vor
     zwei Jahren. Da geriet ich in einen regelrechten Spielrausch. Ich hab
     nicht nur wochenlang am Roulettetisch gezockt, sondern mein Glück
     auch an der Börse versucht.«
    »Was dich in den Ruin
     getrieben hat?«
    »Allerdings. Die
     ohnehin schon belasteten Baumgartner-Villen am Wörthersee waren dank
     taffer Berater von einem Tag auf den anderen futsch. Bei den Wohnblöcken
     in Salzburg und Graz dauerte es etwas länger.«
    »Du … du wohnst
     also heute nur noch als Mieter in einem Haus, das …«
    »… das früher
     mir gehört hat. Du sagst es, Melanie.«
    Kotek war bewusst, dass ihre
     nächste Frage platt war wie eine Flunder, doch sie konnte nicht
     anders. »Tut mir leid, aber ich muss dich das einfach fragen: Was
     hat dich dazu getrieben? Gut, dein Vater hat dich verstoßen, aber
     damit warst du immerhin noch weit besser dran als neunzig Prozent aller
     Europäer.«
    Wegener grinste müde.
     »In der Tat eine blöde Frage. Ich hab mich nicht anders
     verhalten als die meisten neoliberalen Luschen: Ich hatte viel, wollte
     aber mehr, und heute lebe ich auf Pump. That’s it. Alle zocken doch,
     Melanie. Es geht nicht um Besitz, sondern um den Kick, noch mehr bekommen
     zu können.«
    »Und dabei wird weder
     nach links noch nach rechts geschaut?«
    »Richtig. Auch nicht
     nach vorn und hinten. Nur der Augenblick zählt.«
    »Wie ging es dann
     weiter?«
    »Da mich meine
     Stiefmutter zeitweise von Privatschnüfflern hat beobachten lassen,
     war ihr meine Katabasis nicht verborgen geblieben. Angesichts der
     verzockten Immobilien fiel es den Anwälten meines Vaters nun leichter
     als früher, die Notbremse zu ziehen, und ich wurde in erster Instanz
     tatsächlich für erbunwürdig erklärt.«
    »Und als es in den
     letzten Wochen hieß: rien ne va plus, bist du Amok gelaufen?«,
     wagte sich Kotek weit vor. Wegener musterte sie kalt. Vermutlich überlegt
     er, wofür er mich überhaupt noch braucht, dachte sie.
    »Ich bin nicht Amok
     gelaufen«, sagte er ruhig. »Ich habe – wie Paul
     Marageter auch – unseren gemeinsamen Jugendfreund Schleißheimer
     nur um eine weitere Stundung meiner Kreditzinsen ersucht. Aber dieser Spießer
     hatte ja wegen der anstehenden Revision totalen Schiss.«
    »Aus seiner Sicht nicht
     ganz unverständlich. Wie hoch sind denn deine Verbindlichkeiten?«
    Keine Antwort.
    Kotek versuchte es anders:
     »Hat Schleißheimer das Kundengespräch mit dir auch
     heimlich aufgezeichnet – so wie die mit Marageter und Regenmandl?«
    »Hat er«, gab
     Wegener nun wieder bereitwillig Auskunft. »Während Leo und du
     unten im Wohnzimmer seine Witwe vernommen habt, bin ich im ersten Stock in
     seinem Büro auf die Regenmandl-CDs und die Kassetten gestoßen.
     Die CD und die Kassette, die mich

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