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Dohlenflug

Dohlenflug

Titel: Dohlenflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Gracher
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Rückversicherung
     hätte ich mich nie von ihm fesseln lassen. Ich geb’s ja zu: Ich
     fühle mich zu diesem Mann hingezogen, er fasziniert mich. Aber rückhaltlos
     vertraue ich ihm nicht. Davon abgesehen können immer Situationen
     eintreten, in denen man über so einen Schlüssel froh ist.«       
    Kotek verkniff sich zu sagen,
     was Wegener bei einer Entdeckung des Schlüssels vermutlich mit ihr
     getan hätte, und schloss stattdessen beide Handschellen auf.
    »Wir sind tatsächlich
     froh, Tina – vor allem über Ihre Entscheidung, die Ihnen sicher
     nicht leichtgefallen ist. Was war es denn, was letztlich die Vernunft
     über Ihr Gefühl hat siegen lassen?«
    Hohenauer stieß wieder
     einen tiefen Seufzer aus, ehe sie antwortete. »Ich kenne Werner erst
     seit wenigen Wochen. In dieser Zeit habe ich ihn bereits mehrmals beim Lügen
     ertappt, aber das war noch nichts gegen das, was er mir seit ein paar
     Tagen auftischt. Vorgestern hat er sich krass verplappert, als er meinte,
     die dumme Göre hätte ihm die Inszenierung auf der Rettenwänd-Hütte
     beinahe vermasselt. Von da an hab ich versucht nicht mehr genau hinzusehen
     und -hören. Ich wollte weiterhin glauben, er sei nur ein
     Trittbrettfahrer, der wie andere auch vom mythenumwobenen Häuslschmied-Gold
     weiß und dem Mehrfachmörder Pauli zuvorkommen will.«
    »Verletzt und zornig,
     wie Sie waren, haben Sie Ihren fahnenflüchtigen Liebhaber mir nix,
     dir nix als Mehrfachmörder akzeptiert – wider jede Vernunft?«
    Hohenauer schwieg. Was hätte
     sie darauf auch antworten sollen?
    Der Schnarchrhythmus hatte
     sich verlangsamt, die Atemzüge Wegeners waren ruhiger geworden, er
     schlief tief und fest.
    »Wie lange wird er wohl
     noch schlafen?«, erkundigte sich Kotek. »Ich weiß, eine
     blöde Frage, aber die Antwort kann für uns lebenswichtig sein.«
    »Er wird kaum
     aufwachen, ehe sein Handywecker um halb vier klingelt, er ist ziemlich
     erschöpft.«
    Und er muss sich deiner
     ziemlich sicher sein, obwohl du über Marageter noch nicht hinweg
     bist, dachte Kotek.
    »Apropos Handy …«
    »Leider nein, meins ist
     auch da drinnen.« Hohenauer, die die Frage erwartet hatte, zeigte
     auf die bewusste Tür.
    Kotek nickte. »Wäre
     wohl auch zu viel verlangt gewesen.«
    Sie gab ihr den
     Handschellenschlüssel zurück und deutete mit dem Kinn auf Häuslschmied.
     »Ich finde, Sie sollten das machen.«
    »Vielleicht kannst du
     mir ja eines Tages verzeihen, Mandi-Tant?«, sagte Hohenauer
     kleinlaut, während sie die alte Frau befreite.
    »Wir werden später
     darüber reden, Tina«, erwiderte Amanda Häuslschmied, und
     ihre Großnichte registrierte sehr wohl, dass sie nicht mehr das
     vertraute »Tini« verwendet hatte.
    »Haben wir denn überhaupt
     eine Chance, ins Zimmer zu gelangen und Wegener zu überwältigen?«,
     fragte Kotek.
    Hohenauer schüttelte den
     Kopf. »Kaum. Er hat nicht nur abgesperrt, sondern sicher auch einen
     Stuhl unter die Klinke gestellt, und von außen durch ein Fenster
     einzusteigen wäre Harakiri. Nach draußen zu gelangen wäre
     sowieso schon schwierig genug. Werner hat auch die Haustür
     abgesperrt, und die Fenster klemmen und knarren furchtbar.«
    »Das werden wir nicht
     riskieren«, sagte Kotek sofort, »wir gehen übers Dach.«
    »Werner hat auch den
     Schlüssel zum Vorhängeschloss der Dachbodenklappe bei sich«,
     wandte Hohenauer ein.
    »Auch den, der unter
     der Treppe zum Dachboden versteckt ist?«
    Die junge Frau stutzte.
     »Als Sie mir gestern das Haus zeigten, haben Sie gar nichts von
     einem zweiten Schlüssel erwähnt?«
    »Hab ich wahrscheinlich
     vergessen. Aber damit werden wir es aufs Dach hinauf schaffen. Und sind
     wir erst mal draußen, versuchen wir die Genossenschaftsalm zu
     erreichen und zu telefonieren.«
    Hohenauer blickte betroffen
     zu Boden. »Wir können dort weder über ein Festnetz noch
     über Mobilfunk telefonieren.«
    Kotek blickte sie schräg
     an. »Aber die Wirtschafterin lebt noch, oder?«
    Das Mädchen nickte.
     »Sie ist gefesselt, kann aber durch einen Strohhalm in ihrem Knebel
     aus einer Wasserflasche trinken.«
    »Wie tröstlich.
     Also bringt eine Flucht zur Genossenschaftsalm nichts, trotzdem müssen
     wir von hier auf jeden Fall verschwinden. Wir müssen Zeit gewinnen,
     bis Hilfe aus dem Tal kommt. Aber wohin verschwinden? Die Möglichkeiten
     sind ziemlich begrenzt.«
    »Wir sollten versuchen
     den Imhof-Stollen zu erreichen«, schlug Häuslschmied

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