Dohlenflug
entscheidend. »Tina,
glauben Sie mir: Ihr aktueller Liebhaber ist ein psychopathischer Spieler,
der vor nichts zurückschreckt. Ihn interessiert nur das Spiel, und
deshalb liebt er auch nicht Sie, sondern bestenfalls Ihre Funktion in
seinem Spiel. Nur wegen dieses Coups hat er sich an Sie herangemacht und
wird, wenn er Häuslschmieds Gold erst einmal hat, Sie ebenso kalt lächelnd
entsorgen wie Amanda und mich oder wie jene drei, die er bereits entsorgt
hat, nämlich Schleißheimer, Lotte Heinrich und wahrscheinlich
auch Regenmandl. Jeder Zeuge stellt für ihn bis an sein Lebensende
eine ständige Gefahr dar und kann für ihn Gefängnis oder
die Einweisung in eine geschlossene Anstalt bedeuten. Ich weiß, das
ist starker Stoff«, fuhr sie hastig fort, als sie spürte, wie
sich der Rücken der Jüngeren versteifte, »aber vielleicht
denken Sie einen Moment lang über meine Worte nach. In der
Zwischenzeit werde ich ein paar Takte mit Ihrer Großtante reden.«
Hohenauer erwiderte nichts,
und die Blicke Koteks und Häuslschmieds trafen sich. Kotek sah
unendliche Traurigkeit und Resignation in den Augen der älteren Frau.
»Bezirksinspektor
Haberstroh und ich, Frau Häuslschmied, waren heute Morgen am Posten
Hofgastein«, begann sie, »um die weitere Suche nach Marageter
mit den hiesigen Kollegen zu koordinieren. Höllteufel erwähnte
dabei, dass Ihre Großnichte sich bereits unmittelbar nach dem
Einbruch in Ihre Villa für ein Zeugenschutzprogramm stark gemacht hätte.
Natürlich wurde angenommen, dass Tina das aus Sorge um Sie tat, und
deshalb schenkten Haberstroh und ich der Äußerung Höllteufels
zunächst auch nicht jene Beachtung, die sie verdient gehabt hätte.«
Häuslschmied schaute zu
ihrer Großnichte hinüber, die starr geradeaus blickte. »Wenn
das stimmt, erlebe ich eben die zweite große Enttäuschung
meines Lebens«, sagte die alte Frau. »Es ist wirklich schwer
zu glauben. Aber würde Tini dann auch hier gefesselt am Boden sitzen?«
Sie wurde unwillkürlich lauter. »Das ist doch unlogisch!«
Kotek wiegte den Kopf
vorsichtig hin und her. »Nein, ist es leider nicht. Das ganze
Theater hier gilt Ihnen, Frau Häuslschmied. Wegener setzt den Hebel
bei Ihrer Zuneigung zu Tina an. Indem er Ihnen droht, Ihre Großnichte
zu foltern, sollen Sie dazu bewegt werden, das Goldversteck preiszugeben.
Darüber hinaus bietet ein trojanisches Pferd dem, der sich seiner
bedient, immer nennenswerte Vorteile.«
Wieder hielt sie inne, um dem
Schnarchen im Nebenraum zu lauschen. Wegener schlief tief und fest.
»Selbst wenn er Tinas Rolle enttarnt sieht«, flüsterte
sie, mit dem Kinn auf die Schlafzimmertür deutend, »wird er
seine Strategie nicht ändern, geschweige denn Rücksicht auf
irgendjemanden nehmen. Er wird erst Tina foltern, dann mich und dann Sie,
Frau Häuslschmied, wenn Sie ihm nicht vorher sagen, was er wissen
will.«
Wieder suchte die Greisin den
Blickkontakt zu ihrer Großnichte. »Tini, sag doch auch einmal
was dazu. Das sind schwere Anschuldigungen. Ist da was dran?«
Die Angesprochene zuckte nur
mit den Achseln.
»Sag, liebst du diesen
Mann?«, bohrte Häuslschmied weiter. »Anders kann ich mir
dein Verhalten nämlich nicht erklären. Vor wenigen Monaten war
noch dieser verheiratete Hallodri, der Blaulicht-Pauli, die Nummer eins
bei dir, wie du ja selbst zugegeben hast und was ohnehin halb Hofgastein
weiß. Es können nur die Hormone sein, die eine Frau so verblöden
lassen, und ich spreche leider aus Erfahrung.«
»Ja, ich liebe Werner«,
bestätigte Hohenauer trotzig, um dann nach einer langen Pause
seufzend hinzuzufügen, »aber ich bin auch nicht lebensmüde.«
Sie richtete ihren
zusammengesunkenen Oberkörper auf und rückte dichter an die
Beamtin heran. »Frau Kotek, greifen Sie an meiner rechten Hüfte
unter den Hosenbund der Jeans. Etwa auf Höhe der rechten Gürtelschlaufe
befindet sich innenseitig ein Täschchen. Darin habe ich einen
Handschellenschlüssel versteckt – für alle Fälle. Zum
Glück passt der für die ganze Serie.«
Genau darauf hatte Kotek
gehofft. »Ich nehme nicht an, dass Wegener davon weiß?«,
fragte sie, während ihre Hand unter Hohenauers Hosenbund glitt und
nach dem kleinen Gegenstand tastete.
»Nein«,
versicherte Hohenauer. »Ich trage ihn schon bei mir, seit Werner
gestern diese Scharade vorgeschlagen hat. Ohne diese
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