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Dohlenflug

Dohlenflug

Titel: Dohlenflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Gracher
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Wand eingeschlagen und waren nach allen
     Seiten geflogen – einige auch in ihre Richtung. Zum Glück
     hatten die Gneisschieferbrocken weder sie noch ihre Leidensgenossin
     verletzt.
    Trotz Sauerstoffmangels und
     Benommenheit begriff Kotek, dass die Explosion im Seitenstollen erfolgt
     sein musste. Konsequenzen konnte ihr malträtiertes Gehirn daraus
     allerdings noch nicht ableiten.
    »Jetzt, Frau Kotek!«,
     krächzte Amanda Häuslschmied, krampfhaft nach Luft ringend.
     »Jetzt macht es Sinn, ein Stück in die Richtung zu gehen, aus
     der wir gekommen sind.«
    Sie rappelten sich auf und spürten
     dabei, wie der Staub, den sie einatmeten, auch an ihrer Haut und ihren
     Kleidern haften blieb. Beide fassten sie den erschlafften Körper Tina
     Hohenauers mit der jeweils nicht angeketteten Hand unter einer Achsel und
     setzten sich so als makabrer Kondukt in Bewegung.
    Tatsächlich schafften
     sie es, den gruseligen Ballast in vollkommener Finsternis so weit zu
     schleifen, bis die Luft besser wurde. Entkräftet setzten sie sich
     wieder auf den Boden, und Kotek wurde die Paradoxie von Situation und
     Befindlichkeit schlagartig bewusst: Eben noch vom Erstickungstod bedroht,
     vollkommen desorientiert im stockdunklen Labyrinth eines aufgelassenen
     Bergwerks und an eine Leiche gefesselt, ergab sie sich jetzt ihrer
     Erleichterung und ließ ihren Tränen, die ohnehin niemand sehen
     konnte, freien Lauf. Nur ganz allmählich konnte sie sich zwingen, in
     die triste Realität zurückzukehren.
    »Ich wiederhole jetzt
     meine Frage von vorhin«, nahm sie den Faden wieder auf. »Und
     kommen Sie mir bloß nicht wieder mit der lapidaren Erklärung
     einer Explosion. Das allein reicht mir nicht.«
    »Aber alles, was ich
     jetzt sage, kann gegen mich verwendet werden, so ist es doch, oder?«
    Die Gegenfrage Häuslschmieds,
     als typisches Zitat aus amerikanischen Krimis formuliert, wäre in
     einer weniger ernsten Lage vielleicht sogar als missglückter Scherz
     durchgegangen, doch Kotek ahnte, woher der Wind wehte.
    »Erstens sind wir nicht
     in den USA«, hielt sie fest, »zweitens warte ich auf eine Erklärung
     für das, was da gerade passiert ist«, das Klimpern der
     Handschellen verriet, dass sie mit der angeketteten Hand irgendwohin
     zeigen wollte, »und drittens gilt ein durch Unterlassung herbeigeführtes
     Ereignis, das einen Amok laufenden Mörder stoppt, sicher als Notwehr.«       
    »Können Sie mir
     das garantieren?«
    »Sagen Sie mir einfach,
     was Sache ist, dann kann ich Ihnen auch konkret antworten.«
    Wieder ließ sich Häuslschmied
     so lange Zeit mit der Antwort, dass Kotek schon gar nicht mehr damit
     rechnete.
    »Mein Mann hat die
     obersten Barren mit einem Bewegungszünder versehen«, begann sie
     langsam. »Schon vor circa zwei Jahrzehnten. Er misstraute Kajetan
     Czerwenka. Das alte Schlitzohr glaubte zu wissen, wo sich das Gold befand,
     hat aber schließlich doch nie gewagt, Hans übers Ohr zu hauen.
     Der chemische Zünder war an acht Stangen Dynamit gekoppelt. Wäre
     einer dieser Barren bewegt worden – so wie gerade eben –, wäre
     es augenblicklich zur Zündung gekommen …«
    »… und dem
     unbefugten Schatzsucher wäre – so wie eben – das halbe
     Kolmkar-Massiv um die Ohren geflogen«, ergänzte Kotek. Ihre
     Euphorie überlagerte im Moment nicht nur die jüngsten
     Ereignisse, sondern auch das Grauen vor Hans Häuslschmieds
     Vorgangsweise.
    »So ist es«, bestätigte
     die Witwe eines Monsters. »Aber das ist noch nicht alles: Direkt
     hinter dem aufgeschichteten Absatzmaterial befand sich ein mehrere hundert
     Meter tiefer Schacht. Wohlgemerkt: Er befand sich dort. Jetzt dürfte
     er zugesprengt sein, und das Gold liegt an seinem Boden mit einigen Tonnen
     Gestein darüber. Hans wollte für den Fall der Entdeckung sämtliche
     Spuren vernichten, die zu ihm führen konnten.«
    Wegener und die Skelette sind
     wohl eher samt der Trockenmauer in den Hauptstollen geblasen worden,
     dachte Kotek und konnte sich des Schauderns nicht erwehren. Vielleicht
     waren sie beide sogar schon auf Fleisch- oder Knochenteile ihres Peinigers
     getreten, als sie Hohenauers Leiche am Seitenstollen vorbei hierher
     geschleppt hatten.
    »Tja, letztlich war er
     doch kein so guter Spieler«, sagte Häuslschmied, ohne ihre
     tiefe Befriedigung zu verhehlen. »Im entscheidenden Moment hat ihn
     die Gier übermannt, und er ist unvorsichtig geworden. Ein richtiger
     Zocker wäre auch in Erwartung

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