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Dohlenflug

Dohlenflug

Titel: Dohlenflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Gracher
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des Jackpots kühl und besonnen
     geblieben und hätte uns die Barren holen lassen.«
    Kotek fiel Leo Feuersangs
     Spruch über die Gier ein, der sich allerdings auf die Dohlen vor der
     Rettenwänd-Hütte bezogen hatte. »Ja, Wegener war ein
     pathologischer Spieler, deshalb hatte er ja schon die sorgenfreie Zukunft,
     die er hätte haben können, mutwillig verzockt«, pflichtete
     sie der Älteren bei. »Er war überhaupt ein mieser
     Charakter, ein amoralischer Mensch ohne jede Empathie und Wertvorstellung.
     Es wirft kein gutes Licht auf uns als seine Kollegen, dass wir jahrelang
     nichts davon bemerkt haben.«
    »Apropos Licht«,
     merkte Häuslschmied an, »die Gänge scheinen wieder relativ
     gut durchlüftet zu sein. Wir könnten wieder zum Abraumstollen
     zurückkehren und versuchen, einen der Rucksäcke zu ertasten.«
    »Warum? Um eine
     Taschenlampe zu finden? Was nützt uns das Licht, wenn wir die
     Handschellen nicht abmachen können?«
    »Vielleicht finden wir
     ja auch irgendwo die Schlüssel«, wandte die Seniorin ein.
    »Wegener hatte alle
     drei in einer Tasche seines Parkas, sie können weiß Gott wo
     sein.«
    »Nun, immerhin stehen
     die Chancen gut, die Lampen zu finden, und außerdem haben wir jetzt
     jede Menge Zeit, um nach den Schlüsseln zu suchen.«
    »Da können wir
     genauso gut auf meine Leute warten, die kommen sicher bald. Sie müssen
     einfach den Brief im Landhaus gefunden haben und uns finden.«
    »Sie kommen bald? Und
     wann soll dieses ›bald‹ sein?« Häuslschmied
     sprach aus, was Kotek dachte.
    Doch gerade, als Angst und
     Ungewissheit wieder zurückkehren und die Oberhand gewinnen wollten, hörten
     sie in der Ferne Hundegebell.
    »Gott sei Dank haben
     sie uns nicht früher gefunden. Wegener hätte uns in diesem Fall
     ganz bestimmt erschossen, solange er dazu noch in der Lage war«,
     sagte die alte Frau trocken in die unbeschreibliche Freude hinein.

 
    47
    AM NÄCHSTEN TAG präsentierte
     sich der Himmel über Schwarzach-St.Veit in unverschämtem Blau,
     und wären nicht die dicke Schneedecke und die zahllosen geknickten Bäume
     und Sträucher im Salzachtal gewesen, man hätte den frühzeitigen
     Wintereinbruch in den Zentralalpen für einen frostigen Spuk halten können.
    Melanie Kotek setzte sich im
     Krankenbett auf der Internen im Kardinal-Schwarzenberg-Krankenhaus auf.
     Die Untersuchungen hatten sowohl bei Amanda Häuslschmied als auch bei
     ihr zu keinen beunruhigenden Diagnosen geführt. Abgesehen von der
     Gehirnerschütterung und der Platzwunde am Hinterkopf, die ihr einen
     turbanartigen Kopfverband beschert hatte, und einer leichten Erkältung
     war sie okay. Frau Häuslschmied waren ebenfalls nur Antibiotika gegen
     die Erkältung verabreicht worden, ansonsten ging es der alten Frau
     erstaunlich gut.
    Da Kotek Besuch erwartete,
     stand sie entgegen der strikten ärztlichen Order, im Bett zu bleiben,
     auf, schlüpfte aus ihrem Babydoll und stakste auf wackeligen Beinen
     in die Dusche neben dem großen Fenster des Krankenzimmers. Nur mit
     BH und Slip bekleidet stellte sie sich vor den Badezimmer-Spiegel.
    »Sie sind selbst mit
     Verband und blauen Flecken noch eine außergewöhnlich schöne
     Frau, Melanie«, sagte Häuslschmied, die im zweiten Bett des
     Zimmers lag und in die Dusche sehen konnte. »Jacobi kann sich
     wirklich glücklich schätzen. Aber so, wie er Sie manchmal
     ansieht, tut er das wohl auch.«
    Kotek lachte leise auf.
     »Ja, ich bin auch ganz zufrieden mit ihm. Die Idee mit dem
     Zeugenschutzprogramm im Landhaus stammte übrigens von ihm –
     ursprünglich zumindest. Vorgestern wollte er mich allerdings zum
     Abbruch bewegen, hauptsächlich wegen des Wetters, das unsre Mobilität
     einschränkte, aber leider nicht die von Wegener.«
    »Also war ich doch der
     Lockvogel, wie ich es von Anfang an vermutet hatte?«
    »Amanda, es war
     wirklich nicht vorgesehen, Sie oder uns in Gefahr zu bringen, aber mit
     Insidern haben wir leider überhaupt nicht gerechnet.«
    »Tinis tragische
     Leidenschaft zu diesem Scheusal und ihr noch tragischeres Ende gehen mir
     wirklich nahe«, sagte Amanda Häuslschmied leise. »Mir war
     gar nicht bewusst, wie sehr sie mir ans Herz gewachsen war. Ihre Mutter
     ist vor zwei Jahren gestorben, und einen Vater hatte sie nie. Ich war ihre
     einzige noch lebende Verwandte und hatte sie insgeheim bereits als
     Haupterbin vorgesehen.«
    Die Stimme der Greisin war brüchig
     geworden. Kotek wollte den Moment nicht

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