Dohlenflug
ungenutzt verstreichen lassen.
»Auch Julie, die
Tochter Ihres Mannes, hat niemanden mehr. Mir läuft es jetzt noch
eiskalt über den Rücken, wenn ich daran denke, dass Wegener sie
noch am Alpl hätte erwischen können. Für sie wäre es
gerade jetzt ungeheuer wichtig, eine Bezugsperson zu haben. Vielleicht könnte
man mal darüber nachdenken?«
»Sie meinen wohl, frau
könnte darüber nachdenken?«
»Ja, und auch über
die tragische Rolle, die Julies Mutter spielen musste. Amanda, Lotte
Heinrich hatte Ihren Hass in keinem Augenblick ihres bemitleidenswerten
Lebens verdient. Und jetzt, da sie tot ist, braucht sie ihn noch weniger.«
»Schon gut, ich weiß,
dass der einzige Schuldige mein Mann war, und ich gebe auch zu, dass ich
meinem jahrelangen Frust der Einfachheit halber das Gesicht von Lotte
gegeben habe. Ich werde mir Ihren Vorschlag durch den Kopf gehen lassen.«
Es klopfte an der Tür.
»Moment«, rief
Kotek, »ich bin noch nicht fertig!«
48
DER BESUCHERANSTURM war
beachtlich, und er hätte noch wesentlich größere Ausmaße
angenommen, hätten die Ärzte ihm nicht einen Riegel
vorgeschoben. So meldeten sich die Ausgesperrten, die auf später
vertröstet wurden, per SMS oder telefonisch mit Genesungswünschen.
Neben dem vollzähligen Sechserpack, Jacobis Tochter Nadine, deren
Freund Alexander und Dr. Wächter hatte sich auch Oberstaatsanwalt Dr.
Ewald Rothmayer eingefunden.
Koteks Appell, keine Blumen
mitzubringen, war natürlich ignoriert worden, sodass sie eine
Pflegerin bat, sämtliche Gerberasträuße und Orchideen zu
versorgen. Letztlich waren es doch so viele Besucher, dass Nadine, Alex
und Cornelia Wächter das Krankenzimmer wegen Platzmangels vorübergehend
wieder verließen.
Zunächst begann Dr.
Rothmayer, die Zeugenaussagen von Kotek und Häuslschmied zu den
Begebenheiten im Naßfeld und in den Siglitz-Stollen per Rekorder zu
protokollieren.
Die alte Frau schilderte den
Ablauf der Ereignisse aus ihrer Sicht weitgehend emotionslos, Kotek musste
kaum korrigieren oder ergänzen. Feuersang und Redl, die Koteks
Nachricht im Aschenschuber gefunden hatten, bestätigten den Bericht,
soweit sie die Aktionen im Landhaus nachvollziehen konnten.
Erst als die Rede auf die
brutale Ermordung der Gendarmerieschülerin Tina Hohenauer kam, wurden
Häuslschmieds Augen feucht.
»Ich weiß nicht,
warum ich gezögert habe, Wegener das Versteck des Goldes zu nennen,
aber ich weiß sehr wohl, dass ich es mir für den Rest meines
Lebens nicht verzeihen werde.«
»Das ist doch Unsinn,
Amanda«, hielt Kotek sofort dagegen und dachte dabei an Lotte
Heinrich. »Sie sind nicht schuld daran, dass Tina tot ist. Wegener
war ein Irrer, und hätte ihn nicht die eigene Gier getötet, dann
wären wir die Nächsten gewesen, die er umgebracht hätte.«
»Wegener war tatsächlich
seelisch krank«, bestätigte Jacobi. »In Regenmandls Range
Rover, der in Kolm-Saigurn sichergestellt worden ist, haben wir unter
anderem starke Psychopharmaka gefunden.«
Wie von Kotek vorhergesagt
worden war, stellte Häuslschmieds Verschweigen der Sprengfalle, die
den Tod von Gruppeninspektor Werner Wegener herbeigeführt hatte, kein
Problem dar. Kotek und Häuslschmied waren Zeugen der Ermordung Tina
Hohenauers gewesen, und Wegener hatte bereits angekündigt gehabt,
auch sie zu töten. Der Tatbestand der Notwehr war dadurch einwandfrei
gegeben, daran ließ der Oberstaatsanwalt keinen Zweifel. Trotzdem würden
die Umstände, die zu Wegeners Ableben geführt hatten, Gegenstand
einer Gerichtsverhandlung sein – wie in jedem anderen vergleichbaren
Fall auch.
»Was nun dieses dubiose
Nazigold betrifft«, wechselte Rothmayer das Thema, »so hat das
ja keiner der hier anwesenden Zeugen im Stollen je gesehen. Auch Sie
nicht, Frau Häuslschmied, oder irre ich mich da?«
»Nein, Sie irren sich
nicht. Mir war die Lage des Verstecks bekannt, im Nachlass meines Mannes
befand sich ein genauer Plan und ich war auch zwei Mal vor Ort. Ich wusste
sogar, wie viele Barren noch vorhanden sein mussten, aber die Sprengfalle
hat meine Neugier immer im Zaum gehalten. Was nicht heißt, dass ich
nie etwas von dem Gold gesehen hätte. Auch Frau Kotek weiß
inzwischen, wofür mein Mann einen Teil des Schatzes verwendet hat.
Ehe Hans damals nach Liechtenstein fuhr, um über seinen Hehler
Schweigegeld zu beschaffen, hab ich heimlich einen
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