Dohlenflug
abspringen, den ›Schillerhof‹
ausbauen und die ganze Schwaiger-Wiese davor mit Apartments zupflastern
wollen?«
»Damit musstest du sehr
wohl rechnen. Die Lage kommt ihnen viel eher entgegen, dort haben sie mehr
Platz und können oberhalb des ›Schillerhofs‹ die
Graukogellift-Parkplätze mitbenutzen. Und neben den Apartments können
sie zusätzlich Parkplattformen in den Berg treiben, was ja dein
Problem war. Die ›Rote Liesl‹ hat kaum Parkplätze. Aber
der Gier ist eben nur schwer zu raten.«
»Die Dänen können
ihr Konzept doch nie realisieren. Der Hang rutscht ab. Der ganze
Graukogel-Hang rutscht ab. Welche Behörde darf da schon eine
Baubewilligung erteilen? An den Hotels und der Kirche lässt sich ja
schon erkennen, wie der Berg kommt. Und schließlich haben die Zuständigen
auch noch ein Wörtchen mitzureden.« Marageters Worte klangen
beschwörend, als wollte er mit seinen Argumenten sich selbst überzeugen.
»Soviel ich weiß,
ist die Bewilligung bereits erteilt«, zerstörte Schleißheimer
seine letzte Illusion. »Es heißt, die Pylonen-Bauweise
stabilisiere sogar den Hang. Die Statiker haben schon grünes Licht
gegeben, aber dir kann das ohnehin egal sein. Nächste Woche werden
die meisten deiner Kredite bei der Linzer Sparkasse fällig gestellt.
Ich mach das nicht gern, aber ich muss es tun.«
»Gib mir noch drei
Wochen! Drei mickrige kurze Wochen! Ich bin jetzt an einer schwedischen
Gruppe dran, die sind echt an der ›Roten Liesl‹
interessiert. Sie wollen sie zur Jugendherberge ausbauen und brauchen dafür
keine Parkplätze.«
Schleißheimer lachte
verärgert auf. »Pauli, hör auf damit. Im Märchenerzählen
warst du noch nie besonders gut, das können andere besser. Aber
selbst, wenn ich wollte: Ich kann und darf nicht mehr!«
»Aber dann kann ich
meine Kredite bei der Bauernbank ja auch nicht mehr bedienen.«
»Das ist dein Problem.«
Einige Sekunden lang war
nichts zu hören. Dann sagte Marageter: »Hat … hat deine
plötzliche Härte etwas damit zu tun, dass Chrissie nicht deine
leibliche Tochter ist?«
Wieder entstand eine längere
Pause.
Schleißheimer räusperte
sich schließlich. »Ich habe dir die Gründe genannt. Die
Revision kann für mich zur Existenzfrage werden, und da ist mir das
eigene Hemd näher als dein Rock. Übrigens habe ich geahnt, dass
du am Schluss noch mit Chrissie kommen würdest. Wenn du meinst, ihr
unbedingt sagen zu müssen, wer ihr Erzeuger ist, dann bitte sehr. Ein
Druckmittel ist das allerdings nicht. Höchstens handelst du dir noch
eine Alimente-Nachzahlungsklage ein.« Er lachte kurz auf. »Na
ja, vermutlich würde mir das kaum etwas bringen. Einem nackten Mann
kann man schließlich nicht in die Taschen greifen.«
»Wahnsinnig witzig.
Aber ich sag dir eins: Wenn ich dahinterkomme, dass du Chrissie auch nur
ein Mal angerührt hast –«
»Du kannst dir die
unterste Lade sparen«, unterbrach ihn Schleißheimer brüsk.
»Mehr als dreizehn Jahre lang hat dich das Schicksal von Chrissie
nicht so viel gekümmert.« Er schnippte mit den Fingern. »Am
wenigsten in den letzten vier. Da hat sich der ehemalige Revierinspektor
ja schon auf dem Olymp der Hotelkettenbesitzer gesehen, weil er ein paar
ausrangierte alte Kästen gepachtet hat, von denen es in Bad Gastein
gar nicht so wenige gibt. Aber jetzt, wo du bis zu den Nasenflügeln
im Dreck steckst, jetzt bist du plötzlich um die kindliche Unschuld
deiner Tochter besorgt. Ein bisschen seltsam, findest du nicht? Umso mehr,
da Chrissie nicht das einzige Kuckucksei ist, das du in fremde Nester
gelegt hast.«
Das abrupte Scharren eines
Stuhls auf Parkettboden war auf dem Band zu hören, dann das deutlich
vernehmbare Klatschen einer Ohrfeige.
»Ist dir jetzt
leichter?«, fragte Schleißheimer weinerlich-trotzig, wobei
aber auch unverhohlene Angst in seiner Stimme mitschwang.
Die Antwort auf die Frage
blieb aus, stattdessen fiel geräuschvoll eine Tür ins Schloss.
Unmittelbar danach wurde die Aufnahme gestoppt.
Jacobi schaltete den Rekorder
aus.
»Also hat die Schleißheimer
gelogen, als sie behauptete, Chrissie sei die leibliche Tochter ihres
ermordeten Ehemannes«, sagte Melanie Kotek.
Jacobi bedachte sie mit einem
schrägen Blick. »Welche Ehefrau würde nicht zunächst
lügen, wenn die Vaterschaft ein wunder Punkt ist?«
»Jedenfalls rückt
sie dadurch in der Riege
Weitere Kostenlose Bücher