Dohlenflug
Schleißheimer. Also: Wer ist der Vater?«
»Ich weiß es
leider nicht mehr genau.«
»Wollen Sie uns
verarschen?«
Ȇberhaupt nicht.
Vor vierzehn Jahren – das war eine ziemlich wilde Zeit. In einer
dieser Nächte ist es leider passiert. Ich war – obwohl schon
über zwanzig – mehr als naiv, um nicht zu sagen blöd. Es
kommen etwa drei Männer als Vater in Frage. Davor waren wir im
›Outlaw‹, hatten uns dort auch bereits etwas eingeworfen
…«
»Sie hatten ungeschützten
Sex mit drei Männern?«
»Ja, ich glaube
zumindest, dass es nur drei waren.«
»Aber die Namen wollen
Sie uns nicht nennen?«, kürzte Kotek das Verfahren ab.
Salma Schleißheimer
schwieg.
»Salli glaubt, sie könnte
uns so bamstig kommen, weil sie ein paar Großkopferte in Gastein näher
kennt«, mischte sich jetzt Höllteufel ein.
»Für dich, Hias Höllteufel,
immer noch Frau Schleißheimer!«, giftete sie ihn an.
Kotek drehte sich um und
legte ihre Hand auf seinen Unterarm. Die Berührung ließ Höllteufel
darauf verzichten, Salma Schleißheimer einige Nettigkeiten zu
antworten.
»Paul Marageter ist der
Vater von Chrissie, nicht wahr?«, sagte Kotek.
Die Gefragte zuckte mit den
Schultern. »Möglich. Zumindest glaubt er es.«
»Und warum musste er
dann nie auch nur einen Euro Alimente zahlen?«
Schleißheimers Miene
verzog sich zu einer höhnischen Grimasse. »Sie meinen, weil er’s
mir ab und an besorgt, braucht er nicht zu zahlen?«
»Ich meine gar nichts,
ich habe Sie etwas gefragt«, sagte Kotek eisig. Allmählich
verlor sie die Geduld. Dieser Frau war gestern der Ehemann auf äußerst
makabre Art und Weise genommen worden, und jetzt gab sie sich hier wie die
Protagonistin einer drittklassigen Talkshow.
Salma Schleißheimer
merkte, dass sie dabei war, den Bogen zu überspannen. »Ich habe
Ihnen die Antwort doch schon gegeben: Ich konnte nach dieser Nacht nicht
mit Sicherheit sagen, mit welchen Typen ich geschlafen hatte und mit wie
vielen. Zwei von ihnen kannte ich überhaupt nicht, sie waren nicht
von hier.«
»Ich verstehe. Tja, da
wäre die Option eines Vaterschaftstests nicht nur zum Glücksspiel
geworden, sondern sogar zum Spießrutenlauf.«
Schleißheimer nickte.
»Genau deshalb habe ich darauf verzichtet. Und aus demselben Grund
war ich Fredl so dankbar, dass er mich samt ungeborenem Kind geheiratet
hat.«
»Sie haben ihm reinen
Wein eingeschenkt?«
Wieder nickte Schleißheimer.
»Er mir auch. Er hat mir alles über seine Zeit in Zell am See
gebeichtet.«
»Dass er ursprünglich
Hauptschullehrer war und gleich im ersten Dienstjahr suspendiert worden
ist?«
»Auch das. Er hatte ein
Verhältnis mit einer Schülerin, aber er schwor mir, sie sei
keine Jungfrau mehr gewesen.«
»Das ist keine
Entschuldigung. Sex mit einer Minderjährigen ist ein schwerwiegendes
Delikt, noch dazu mit einer Schutzbefohlenen. Missbrauch bleibt
Missbrauch, egal, unter welchem Aspekt man ein derartiges Verhältnis
betrachtet.«
»Ich habe das damals
nicht so eng gesehen. Ich war nur froh darüber, mir zusammen mit
Fredl eine bürgerliche Existenz aufbauen zu können und dass die
Leute uns in Ruhe ließen. Für Gasteiner, die uns näher
kannten, waren wir nämlich beide bizarre Gestalten. Man könnte
sagen, sie gönnten uns einander.«
»Mhm. Sie haben gestern
erwähnt, Sie hätten sich im Laufe der Jahre mit Ihrem Mann
arrangiert, was Ihre … äh … Freizeitgestaltung
anlangte. Kann man das so stehen lassen?«
»Es war ein
stillschweigendes Übereinkommen. Fredl profitierte davon sogar mehr
als ich. Angesichts unsrer Heirat hielten die meisten Gasteiner die Gerüchte,
die über ihn im Umlauf waren, irgendwann für überzogen. Nur
sehr wenige wissen, dass er nie von seiner unheilvollen Passion für
minderjährige Mädchen losgekommen ist. Was mich betraf, sind
sich die braven Hofgasteiner noch immer einig: Für sie war und bin
ich noch immer eine Flitschn.«
Kotek lehnte sich im Sessel
zurück und verschränkte die Hände auf ihrem flachen Bauch.
»Nun, ich kann mir im
Moment tatsächlich schwer vorstellen, dass Sie etwas mit dem Tod
Ihres Mannes zu tun haben sollen – etwa wegen Unverträglichkeit.
Anders sähe es aus, wenn er sich an Chrissie vergangen hätte«,
Schleißheimer winkte verächtlich ab, »oder wenn einer
Ihrer Favoriten, vielleicht sogar der eine Favorit
Weitere Kostenlose Bücher