Dohlenflug
hätte
daran etwas seltsam gefunden.«
»Sie könnte den
Einbruch auch inszeniert haben – eben wegen dieser aufmerksamen
Nachbarn.«
»Ein Ablenkungsmanöver?
Damit sie in der Reihe der Verdächtigen nach hinten rutscht? Du
vergisst, wie der Täter respektive die Täterin die Leiche präsentiert
hat. Dass eine aufgebrachte Mutter einem Kinderschänder den Schwanz
abschneidet, kann ich mir ohne Weiteres vorstellen. Nicht aber, dass sie
ihn mit einem einzigen fachmännischen Stich ins Herz niederstreckt,
und erst recht nicht, dass sie nach vollbrachter Tat die Leiche noch
betulich mit seltsamen Zeichen verziert. Nein, da stecken schon
strategische Überlegungen dahinter. Wenn sich jemand so viel Mühe
gibt, unser Interesse auf minderjährige Mädchen und deren Mütter
zu lenken, so heißt das für mich, dass wir zumindest auch
woanders suchen müssen.«
»Nicht so vorschnell.
Ich glaube eher, da will eine Mutter eine andere hinhängen, um von
sich oder ihrer Tochter abzulenken.«
»Und ich glaube, du
verbeißt dich ein bisschen zu früh in die Schleißheimer.«
Mit einer wegwerfenden
Handbewegung wischte Kotek Jacobis Einwände beiseite. »Wenn man
in einen Fall so wenig eingearbeitet ist wie du, sollte man sich nicht so
weit aus dem Fenster lehnen, mein Lieber. Unsre Zeugin Resi Neuhuber hat
recht bald schon eine Kräuterhexe namens Charlotte Heinrich erwähnt.
Ich habe mich über sie schlaugemacht. Sie hat ebenfalls eine Tochter
in Chrissies Alter.«
In knappen Worten schilderte
sie, wie Lotte Heinrich und Salma Schleißheimer angeblich zueinander
standen.
»Natürlich würde
die Schleißheimer unter normalen Umständen kein so plumpes
Ablenkungsmanöver versuchen, aber in Panik … unter extremem
emotionalem Stress …?«
Jacobi schüttelte wieder
den Kopf. »Die Tat war wohlüberlegt, da wart ihr euch doch
einig. Außerdem erscheinen mir die Motive für Mütter
vierzehnjähriger Mädchen – mit Verlaub! – doch zu
leichtgewichtig. Wenn wir den Missbrauch zweifelsfrei nachweisen können,
sieht die Sache schon wieder anders aus. Aber auch dann traue ich der
Schleißheimer die Tat nicht zu. Nach allem, was ich bisher über
sie weiß, passt so ein Mord einfach nicht zu ihr.«
Kotek ärgerte sich ein
wenig über Jacobis Selbstsicherheit und seine Ferndiagnosen, umso
mehr, als sie selbst nicht recht an Salma Schleißheimers Schuld
glauben mochte.
»Du hast nicht etwa
vor, dich in meinen Fall einzumischen, oder, Oskar Jacobi? Ich kenne dich
doch. Wenn du diesen unsteten Blick hast, willst du deinen Schreibtisch
verlassen, deine Rosinante satteln und mich zu deinem persönlichen
Sancho Pansa degradieren.«
Die Vorhaltungen von Melanie
Kotek waren nicht ernst gemeint. Sie hielt durchaus große Stücke
auf die Teamarbeit im Sechserpack. Wer als Einziger von ihnen immer wieder
mal ausscherte, das war der Alpha-Wolf, Jacobi.
Der schmunzelte jetzt.
»Niemals würde ich etwas so Niederträchtiges tun, teure
Dulcinea! Und ich denke auch nicht im Traum daran, mit Euch nach Gastein
zu fahren. Zumindest vorläufig nicht«, schränkte er dann
ein.
Melanie Kotek ließ ihre
schönen dunklen Brauen nach oben wandern. »Warum nur erstaunt
mich das jetzt nicht?«
Jacobis Vorliebe für Außendienst
war am Franz-Hinterholzer-Kai bekannt, daran hatte auch seine kürzlich
erfolgte Beförderung zum Oberst nichts geändert. Außerdem
hatte er eine besondere Schwäche für Gastein, und zwar nicht von
ungefähr. In den vergangenen zwanzig Jahren hatte das Referat 112
etliche Aufsehen erregende Kapitalverbrechen zu klären gehabt, einige
auch im größten und schönsten aller Tauerntäler. Bei
jedem davon hatte Jacobi persönlich vor Ort recherchiert, Zeugen und
Verdächtige vernommen und die Behördenaktionen geleitet.
Jacobi konnte die Gedanken
seiner Partnerin lesen, fühlte sich aber zu keinen weiteren Dementis
bemüßigt, sondern spann seine Überlegungen weiter: »Wenn
es also nicht Salma Schleißheimer war, die da mit einer Taschenlampe
durch ihr Haus gegeistert ist, was, außer diesen Kassetten, könnte
der Täter noch gesucht haben? Delikate Fotos? Dateien? Schriftstücke?
Und wenn ja, welche?«
»Gott, wie scharfsinnig
du doch bist. Glaubst du ernsthaft, darüber hätte ich mir noch
nicht den Kopf zerbrochen? Ich tue nichts anderes, wenn ich nicht gerade
durch
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