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Dohlenflug

Dohlenflug

Titel: Dohlenflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Gracher
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der Verdächtigen wieder ganz nach vorn.«
    Jacobi wusste, was sie
     meinte. Wenn Chrissie nicht die leibliche Tochter von Schleißheimer
     war, gewann ein allfälliger Missbrauchsverdacht noch weiter an
     Gewicht.
    »Ist nicht von der Hand
     zu weisen«, pflichtete er ihr bei, »aber Regenmandl und
     Marageter sind deshalb noch lange nicht aus dem Schneider.«
    »Ich weiß«,
     seufzte Melanie Kotek. »Wie sieht’s eigentlich mit einer
     Haussuchung beim Herrn Bankdirektor aus?«    
    »Nach der Indizienlage
     dürfte sich Richterin Zehentner kaum zieren. Ich lass dir die
     Anordnung an den Posten Hofgastein faxen.«
    »Und Marageter?«
    »Hältst du das für
     wirklich notwendig?«, fragte Jacobi ungnädig zurück. Es
     schmeckte ihm nicht, gegen einen ehemaligen Kollegen vorgehen zu müssen.
    »Nicht unbedingt. Aber
     auch er zählt zu den Verdächtigen und hat mehr als ein Motiv. Außerdem
     rechnet er jetzt noch nicht mit einer Haussuchung, wir hätten also
     das Überraschungsmoment auf unserer Seite.«
    »Also gut, wenn du
     darauf bestehst. Aber ich hoffe doch sehr, du gehst so diskret wie möglich
     vor und ziehst neben den vorläufigen Hauptverdächtigen auch
     andere Personen in Betracht: zum Beispiel die Gespielinnen des Mordopfers,
     die uns noch nicht namentlich bekannt sind, und deren Mütter. Es war
     doch von mehreren Lolitas die Rede, mit denen Schleißheimer Kontakt
     gehabt haben soll?«
    »Ja – leider.
     Aber mal was anderes: Wie oder wo ist die Bemerkung von der
     Krampus-Sitzung einzuordnen?«   
    »Das muss ich dir
     wirklich erklären, Katze? Erinnerst du dich nicht an den Mord am
     Hamburger Industriellen Achim Vulpius?«
    »Natürlich.«
    »Der Mörder hatte
     sich den Abend des fünften Dezembers und den Kaiser-Franz-Platz in
     Bad Hofgastein für die gut vorbereitete Tat ausgesucht. Warum wohl?«
    »Na, weil das Gasteiner
     Tal eine der Hochburgen des Perchten-Brauchtums ist und es dort am fünften
     Dezember dementsprechend hoch hergeht. Die diesbezügliche Hysterie
     bei Jung und Alt ist durchaus vergleichbar mit der beim Karneval im
     Rheinland. Aber was soll das mit Schleißheimers Bemerkung zu tun
     haben?«
    »Die Krampus-Passen im
     Pongau sind für mich nur eins von vielen Synonymen für das dicht
     vernetzte Vereinswesen im Innergebirg. Abgesehen von Feuerwehr, Rettung,
     Bergrettung, Landjugend, den vielen Kultur-, Brauchtums- und Sportvereinen
     gibt es noch jede Menge andere Vereine und Klüngel mit
     unterschiedlichsten Zielsetzungen. Kurz und gut: Du findest dort einen Bevölkerungsquerschnitt
     vor wie sonst nirgendwo, angefangen von Hoteliers und Erbhof-Besitzern
     über mittelständische Firmenchefs, Akademiker und Facharbeiter
     bis hin zu Hausmeistern und Abwäschern.«
    »Aha. Und mit deiner
     kaleidoskopartigen Schilderung willst du mich jetzt schonend auf die
     unvermeidlichen klassenübergreifenden Verfilzungen und Vernetzungen
     im Pongau vorbereiten. Ist es das?«
    Anstelle einer Antwort hob
     Jacobi seine Schultern und breitete die Arme aus, während er die
     Handflächen nach oben drehte.

 
    7
    VON DER HEKTIK des Vortages
     war beim zweiten Ausflug nach Gastein nur noch wenig zu merken, nicht
     zuletzt deshalb, weil der Regionalfunk zwar in halbstündigen
     Intervallen, aber doch sehr zurückhaltend über die Ermordung
     Schleißheimers berichtete. Ein entspannt chauffierender Feuersang
     gestaltete die Fahrt im A4 in das Tauerntal durchaus angenehm –
     nicht nur für Beifahrerin Kotek, sondern auch für die Lenkerin
     des zweiten Audi hinter ihnen, Dr. Cornelia Wächter, Forensikerin und
     Psychologin des LGK Salzburg. In entsprechendem Abstand folgte dann als
     dritter Wagen der VW Touran der Spurensicherung. Am Volant saß
     Stubenvoll, der das Krankenhaus auf Revers verlassen hatte. Ihm gehe es
     schon wieder viel besser, hatte er der Einsatzleiterin Oberleutnant Kotek
     versichert, aber er wolle seinen empfindlichen Magen schonen und fahre
     deshalb lieber selbst.
    Eben hatte man den
     Klammtunnel durchquert, und jetzt, nachdem sie auch die Burgruine
     Klammstein passiert hatten, verbreiterte sich das Trogtal allmählich.
     Der tiefblaue Herbsthimmel mit weißen Zirruswolken bildete zu den
     hell- und dunkelgrün gescheckten Mischwaldfluchten an den Flanken der
     Gasteiner Grasberge einen reizvollen Kontrast. Noch fehlte in den Wäldern
     das satte Orangegelb der Lärchen, aber das Flimmern der fahlen
     Birkenblätter zwischen immergrünen

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