Dohlenflug
anderen Trumpf im Talon, und der sticht in jedem Fall. Ich sage nur:
Alpl-Hütte. Komm mir also nie wieder pampig.«
Zum dritten Mal trat eine längere
Pause ein. Dann sagte Regenmandl langsam: »Du wirst das einzig gültige
Gesellschaftssystem nie kapieren. Die, die oben sind, sind nicht zufällig
dort. Und sie sorgen auch dafür, dass sie dort oben bleiben –
egal in welchem System. Ein Loser wie du sollte sich also nicht zu weit
aus der Deckung wagen, sonst kriegt er hundertprozentig eins auf die
Fresse.«
»Sehr unklug von dir,
gegen den Wind zu pissen. Du machst dich garantiert nur selbst nass.
Willst du dich vielleicht jenen Bankern anschließen, die sich
irgendwo in der Welt vor der Justiz verkriechen müssen? Dazu braucht
man sehr, sehr viel Geld. So viel hast nicht einmal du zur Seite
geschafft.«
Eine Zeit lang war auf dem
Band nichts zu hören, dann lachte Regenmandl glucksend: »Du
hast wirklich keine Ahnung von der Welt, Fredl.«
Und nach einer neuerlichen
Pause fauchte er: »Ich schlage vor, du bringst erst mal deine
Bilanzen in Ordnung. Es sollte dir nicht entgangen sein, dass uns in drei
Wochen eine Revision ins Haus steht. Und jetzt schleich dich!«
Das Gespräch war
beendet.
Koteks Handy spielte
Schumann. Da sie im Bad war, warf Jacobi einen Blick auf das Display. Es
war der Journaldienst des Referats 112.
»Was gibt es, Max?«
»Oh, hallo, Chef! Ins
Haus von Alfred Schleißheimer, dem Bankangestellten, der heute in
Bad Hofgastein ermordet wurde, ist eingebrochen worden«, meldete
Bezirksinspektor Max Haberstroh gemächlich. »Vor wenigen
Minuten.«
Wie Oberleutnant Kotek,
Chefinspektor Feuersang, Innendienst-Chef Hans Weider und Major Lorenz
Redl gehörte auch Haberstroh zum inneren Kreis von Jacobis Team, dem
sogenannten Sechserpack. Er hatte heute Nachtdienst. Meldungen wie diese
stellten für ihn eine willkommene Abwechslung im langweiligen
Journaldienst dar, aber aus der Ruhe brachten sie ihn schon lange nicht
mehr.
»Eine Nachbarin hat das
Licht einer Taschenlampe in den Räumen aufblitzen sehen, wusste aber,
dass Salma Schleißheimer nicht mehr im Haus war. Andernfalls hätte
sie längst nach ihrer Katze Stella gerufen, wie sie es sonst jeden
Abend tut. Sie hat es verlassen, unmittelbar nachdem Melanie, Leo und
Werner weg waren, und ist noch nicht zurückgekehrt.«
»Ihr habt das Nötige
veranlasst?« Jacobis Frage war nur eine rhetorische Floskel.
»Natürlich, Chef.
Aber der Einbrecher war schon weg, als die Hofgasteiner Kollegen dort
aufkreuzten.« Haberstroh hielt es für überflüssig
anzumerken, dass in diesen Augenblicken die Ausfallstraßen des
Marktfleckens Lafén abgeriegelt, frei parkende Autos überprüft
und Personenkontrollen durchgeführt wurden.
»Verwertbare Spuren?«
»Leider nicht. Man oder
frau war mit Handschuhen und dem Anschein nach mit
Nullachtfuffzehn-Joggingschuhen unterwegs.«
»Okay, Max, ihr meldet
euch, wenn es nötig sein sollte.« Das hieß, Jacobi durfte
in dieser Nacht nur noch in dringenden Fällen gestört werden.
Melanie kam aus dem Bad. Ihr
weißer Frotteebademantel stand vorne offen, und sie duftete verführerisch,
aber Terrier Jacobi hatte nach dem Anruf von Haberstroh bereits eine
andere Witterung aufgenommen: den Geruch von Mord und Totschlag.
»In das Haus des
Mordopfers ist eingebrochen worden, während du unter der Dusche
standst«, sagte er beiläufig und schob dabei die zweite
Kassette in den Rekorder.
Kotek war nur mäßig
überrascht. »Und? Mach’s bitte nicht so spannend. Hat man
den Einbrecher erwischt?«
»Leider nicht. Er oder
sie muss bemerkt haben, dass die Nachbarn aufmerksam geworden waren, und
ist blitzartig getürmt. Keine verwertbaren Spuren.«
Melanie Kotek band den
Bademantel mit dem Frotteegürtel zu und setzte sich zu Jacobi auf die
Couch. Er schenkte ihr ein großes Glas Rotwein ein.
Sie nahm es am Stiel und
drehte es geistesabwesend zwischen Daumen und Fingern hin und her, während
sie sich gegen seine Schulter lehnte.
»Vielleicht war es ja
gar kein Einbrecher«, mutmaßte sie, »sondern die Schleißheimer
selbst. Werner könnte etwas übersehen haben, was sie sich jetzt
holen und sicherheitshalber verschwinden lassen wollte.«
Jacobi wiegte zweifelnd den
Kopf. »Aber warum dann die Heimlichtuerei? Sie hätte doch ganz
normal in ihr Haus zurückkehren können, kein Nachbar
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