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Dohlenflug

Dohlenflug

Titel: Dohlenflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Gracher
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»Wen meinten Sie mit wir?«
    Marageter zuckte mit den
     Achseln, wich der Frage aber nicht aus. »Ich habe Lotte, Salli,
     Johnny und mich gemeint, die vier Personen, die Sie besonders verdächtigen.
     Aber niemand von uns hat etwas mit Fredls Tod zu tun. Auch ich nicht.
     Welches Motiv hätte ich denn noch haben sollen, Fredl was anzutun?«
    »Mit dieser Frage
     werden sich Forensiker und Schriftsachverständige befassen. Sie
     werden auch die Unterschrift auf Ihrer Kreditbewilligung überprüfen.«
     Koteks Blick schweifte zu Regenmandl, der eben dabei war, sich anzuziehen.
     »Vorläufig interessiert uns nur, wo Sie am Samstag von vierzehn
     bis achtzehn Uhr waren.«
    »Mit meinen Kumpels in
     der Rotkreuz-Zentrale Gastein. Wir haben unserm speziellen Rotkreuz-Wagen
     den letzten Schliff für das Erntedankfest verpasst und danach noch
     ein paar Bier gezischt. Vier oder fünf Personen können das
     bezeugen, und zwei weitere hatten außerdem Bereitschaftsdienst.«
     Paul Marageter war die Ruhe selbst.
    »Sie hatten noch Zeit für
     diese Art rustikaler Vergnügung – trotz Ihrer finanziell
     angespannten Lage?«
    »Erstens ist meine
     finanzielle Situation schon seit Freitag nicht mehr angespannt, das haben
     Sie ja selbst gehört, und daran wird auch Ihre Verschwörungstheorie
     nichts ändern können. Zweitens gehört Klappern nun einmal
     zum Geschäft, und drittens sind Geschmäcker und Ohrfeigen
     bekanntlich verschieden. Sonst noch Fragen?«
    »Was war der Grund
     Ihres heutigen Besuchs bei Frau Heinrich? Die Kreditfrage war ja angeblich
     bereits geklärt.«
    »So wie Johnny auch
     habe ich mir eine chronisch schmerzende Sportverletzung von Lotte
     behandeln lassen. Sie kann das besser als jeder Arzt. Dass Johnny und ich
     uns immer am Montag massieren lassen, das ist übrigens kein Zufall.
     Johnny, Alex – ich meine Notar Dr. Czerwenka – und ich trinken
     nach der Therapie immer noch ein Glaserl mit Lotte. War’s das jetzt?«
    »Vorläufig. Ihre
     Angaben werden überprüft, das weitere Prozedere kennen Sie ja.
     Kommen Sie dann morgen Nachmittag auf den Posten und unterschreiben Sie
     Ihre Aussage, sie liegt bis dahin schriftlich vor. Jetzt können Sie fürs
     Erste gehen.«
    Das ließ sich Marageter
     nicht zwei Mal sagen. Sekunden später eilte er durch den strömenden
     Regen zu seinem Wagen.
    Feuersang sah ihm durchs
     Fenster nach. »Für ihn geht es noch immer um wahnsinnig viel«,
     sagte er versonnen. »Der Überbrückungskredit bewirkt
     vielleicht eine vorübergehende Entschärfung seiner Probleme,
     aber nicht deren Lösung. Angesichts solcher Perspektiven bin ich mit
     meinem Job mehr als zufrieden, vorausgesetzt natürlich, ich kann
     eines Tages meine Pension genießen.«
    Kotek hatte den
     Haussuchungsbescheid für Marageters Wohnung und die von ihm
     gepachteten Objekte zwar in der Tasche, verschob die Durchführung
     aber auf den nächsten Tag. Stubenvoll und seine Leute rotierten
     ohnehin schon, es wäre falsch, sie zu überfordern.
    Sie wandte sich an die
     Hausherrin: »Frau Heinrich, ist es möglich, sich in einem
     anderen Raum etwas entspannter hinzusetzen, als hier so steif
     herumzustehen?«
    Erst jetzt fand sie
     Gelegenheit, die Frau näher in Augenschein zu nehmen. Die Bachblüten-Lotte
     war eine zierliche, gut proportionierte Frau. Ihr volles aschblondes Haar,
     zu einer auffälligen Frisur hochgeföhnt, milderte die scharf
     konturierten melancholischen Gesichtszüge. Kotek wusste, dass sie
     etwas jünger als Salma Schleißheimer war, fand aber, dass sie
     älter aussah. Vermutlich hatte das Leben sie ungleich härter
     rangenommen als ihre Freundin. Was verband die beiden so unterschiedlichen
     Frauen nur?
    »Bitte, kommen Sie doch
     in meine Privaträume«, sagte Lotte Heinrich. Sie hatte eine
     sympathische dunkle Stimme mit eigenartigem Timbre. Eigenartig waren auch
     Stil und Flair ihrer Wohnküche, in die man nun hinüberwechselte.
     Die Beamten wussten nicht so recht, ob sie den Raum mit seinem uralten
     gemauerten Herd, den dunkel gebeizten Bauernmöbeln und all den
     skurrilen Accessoires an den Wänden als anheimelnd oder unheimlich
     bezeichnen sollten.
    Zweifellos hätte die
     Stube jedem Gruselfilm als Kulisse dienen können. Sogar die
     obligatorischen ausgestopften Raben und Waldkäuze fehlten nicht, und
     an allen möglichen und unmöglichen Stellen befanden sich die
     Totems: Totems in Form von Wandmalereien, von geflochtenen Bändern,
     als

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