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Dohlenflug

Dohlenflug

Titel: Dohlenflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Gracher
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Wuschzn-Charly ein Trinker und
     Spieler. Jeden Schilling, den er verdient hatte, trug er ins Casino oder
     jagte ihn sich in flüssiger Form durch die Gurgel. Lotte und ihre um
     drei Jahre jüngere Schwester Stefanie durchlebten eine miserable
     Kindheit. Ihre Mutter Veronika verließ die Familie an Stefanies
     drittem Geburtstag nach wiederholten Selbstmordversuchen. Die Mädchen
     waren danach meistens sich selbst überlassen und kamen oft so
     abgerissen und abgemagert daher, dass sich der Sozialdienst der Kommune
     ihrer annahm. Man schoss die Ausgaben für Essen aus dem Seniorenheim
     vor, ebenso für Kindergarten und Schule, wohl wissend, dass dieses
     Geld nie wieder einzutreiben sein würde. Die schwachen Leistungen und
     die Verhaltensauffälligkeit beider Mädchen in der Schule nährten
     die Vermutungen des sexuellen Missbrauchs durch den Vater. Nach einigen
     anonymen Anzeigen ging die Gendarmerie diesen sogar nach, aber Beweise
     wurden nie erbracht.
    Kurz vor Heinrichs Flucht
     kursierte noch ein weiteres Gerücht: Er hätte eine nicht unbeträchtliche
     Erbschaft in Form von Grundstücken gemacht. Doch anstatt seinen
     Kindern nun endlich ein menschenwürdiges Dasein zu bieten, hätte
     er die Grundstücke beziehungsweise den Erlös aus deren Verkauf
     innerhalb weniger Tage verzockt und versoffen und dabei noch eine Menge
     Schulden angehäuft. Die Schwangerschaft der damals sechzehnjährigen
     Lotte passte wie das letzte Steinchen in das bunte Mosaik wildester
     Spekulationen. Schon kurz nach der Geburt ihrer Tochter Julie – Karl
     Heinrich hatte sich inzwischen aus dem Staub gemacht – ließ
     Lotte einen notariell beglaubigten Vaterschaftstest veröffentlichen,
     der wenigstens das hässlichste Gerücht entkräften sollte,
     dass Julie vom eigenen Großvater gezeugt worden sei. Von der
     naheliegenden Möglichkeit, den wahren Vater zu nennen, machte Lotte
     hingegen keinen Gebrauch.
    Zwischen Luggau und
     Dorfgastein zweigt ein nicht asphaltierter Güterweg von der
     Bundesstraße zum Präauer-Gut nach links ab. Er führt auf
     einer verwitterten Holzbrücke über die Gasteiner Ache und nur
     wenige Meter danach über die zweigleisige beschrankte
     Tauernbahntrasse. Unmittelbar hinter der Trasse kreuzt die parallel zur
     Bahn verlaufende Luggauer Straße den Weg. In eben diese Straße
     lenkte Feuersang nach links ein und fuhr einige hundert Meter in
     entgegengesetzter Richtung als zuvor auf der Bundesstraße, ehe er
     schließlich nach rechts zum Heinrich-Anwesen einbog.
    An den Außenwänden
     des zweigeschossigen Blockhauses waren skurrile Tierpräparate und
     Schnitzereien angebracht. Unter dem Firstbalken saß auf einem
     Rundholz ein zahmer Rabe, der von den Neuankömmlingen kaum Notiz
     nahm. Der ebenfalls mit Ornamenten versehene und bizarr gestaltete Brunnen
     vor dem Haus sollte wohl eine Art Waldschrat, Gnom oder Troll darstellen.
     Etliche Meter links davon entfernt stand eine etwa drei Meter hohe
     Silbertanne, in deren Zweige jemand einige Rosenknospen gesteckt hatte.
    Das seltsame Heim der Bachblüten-Lotte
     fesselte die Aufmerksamkeit der Ermittler allerdings weniger als die drei
     Pkws, die davor parkten. Einer davon war ein dunkelblauer Range Rover
     TDV8. Ein zweiter, ein Mercedes E 500 älteren Baujahrs, hatte sich
     eben in Bewegung gesetzt und kam ihnen entgegen. Feuersang fuhr mitten auf
     der schmalen Straße und zwang sein Gegenüber so zum Anhalten.
     Um von vornherein keinen Stress aufkommen zu lassen, setzte er das
     Blaulicht aufs Dach des Dienstwagens und stieg aus, obwohl es inzwischen
     stark zu regnen begonnen hatte.
    Der Fahrer des Mercedes ließ
     ein Fenster herunter. »Was gibt’s? Ich hab’s eilig.«
    »Sie werden sich leider
     ein wenig gedulden müssen, Kollege. Sie sind doch Herr Paul
     Marageter, ehemals Gendarmerierevierinspektor aus Bad Gastein, oder?«
    Paul Marageter, ein etwa
     vierzigjähriger, dunkelhaariger Mann, mittelgroß, mit unauffälligen
     Gesichtszügen, blau-weiß kariertem Hemd und handgestrickter
     Zopfmusterjacke, nickte achselzuckend. »Ja, der bin ich. Und? Was
     liegt an?«
    »Das wissen Sie doch,
     Herr Marageter. Entweder begleiten Sie uns jetzt zurück zu Frau
     Heinrich und Herrn Regenmandl, mit denen Sie sich eben getroffen haben,
     oder Sie besuchen uns später«, er blickte auf seine Armbanduhr.
     »Sagen wir, um sechzehn Uhr am Posten Hofgastein. Was ist Ihnen
     lieber?«
    Anstelle einer Antwort setzte
     Marageter den

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