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Dohlenflug

Dohlenflug

Titel: Dohlenflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Gracher
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wütend, aber ihre Augen waren blank vor Entsetzen. War der
     Grund dafür Furcht vor Entdeckung, Angst um die Tochter oder beides?
     Kotek wechselte einen Blick mit dem Kollegen. Sollte man jetzt härtere
     Bandagen anlegen? Feuersang wiegte verneinend den Kopf.
    »Frau Heinrich«,
     fuhr sie wieder sanfter fort, »mit Ihren Falschaussagen bringen Sie
     nicht nur sich selbst in Schwierigkeiten, sondern auch Ihre Freunde, Frau
     Schleißheimer und Herrn Regenmandl. Aber vor allem reiten sie Julie
     immer tiefer in die Bredouille, statt ihr zu helfen. Sie können Ihre
     Tochter doch jetzt nicht mit dieser Belastung allein lassen. Egal, ob sie
     Täterin oder nur Zeugin ist.«
    Lotte Heinrichs Augen
     schwammen in Tränen. Sie stand kurz vor dem Zusammenbruch, aber die
     Mutterliebe und der Impuls, die Tochter zu schützen, waren noch stärker.
     Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe doch schon all ihre
     Freundinnen angerufen. Keiner hat sie gesehen.«
    »Und Chrissie?«,
     fragte Feuersang.
    »Chr… Chrissie?«,
     stotterte sie. Ihre Hände zitterten, und ihre Stirn war nass vom
     Schweiß, so als würde sie gleich kollabieren.
    »Wir unterbrechen die
     Vernehmung um fünfzehn Uhr dreißig«, sagte Kotek mit
     einem bezeichnenden Blick auf Lotte Heinrichs zitternde Hände und
     schaltete den Rekorder aus.
    »Haben Sie etwas gegen
     Ihr Nervenflattern in Ihrer Hausapotheke, Frau Heinrich? Gehen Sie nur.
     Wir werden inzwischen Frau Schleißheimer anrufen. Ich bin schon
     gespannt, wie sie Ihre Aussage aufnimmt.«
    Trotz Kreislaufschwäche
     bildeten sich hektische rote Flecken auf Lotte Heinrichs Wangen, und
     obwohl sie wie eine Ladendiebin wirkte, die beim Klauen ertappt worden
     war, zuckte sie nur stumm mit den Achseln und ging in die Praxis hinüber.
    Salma Schleißheimer
     nahm schon nach dem ersten Rufton ab.
    »Hallo, Frau Schleißheimer,
     ich bin’s noch mal, Melanie Kotek vom LGK. Leider hat Ihre Freundin
     Lotte Heinrich Ihr Alibi vom Samstagnachmittag nicht bestätigt«,
     fiel Kotek mit der Tür ins Haus. »Vielmehr behauptet sie, um
     die fragliche Zeit mit ihrer Tochter Julie und Herrn Regenmandl bei sich
     zu Hause gewesen zu sein.«
    »Was? Das glaub ich
     jetzt nicht. Lassen Sie mich selbst mit ihr sprechen!«
    »Gern. Einen
     Augenblick, bitte. Frau Heinrich, Salma Schleißheimer ist am
     Apparat.« Kotek stellte auf maximale Lautstärke.
    Die Angesprochene war eben
     aus ihrem Behandlungszimmer zurückgekommen. In der einen Hand hielt
     sie ein Wasserglas, in der anderen ein braunes Fläschchen mit ihrem
     berühmten Bachblütenextrakt, über dessen beruhigende
     Wirkung man sich Wunderdinge erzählte.
    Lotte Heinrich schien sich
     tatsächlich etwas erholt zu haben, nahm das Handy aber nur
     widerstrebend entgegen. »Hallo, Salli.«
    »Lotte, sag mal,
     spinnst du jetzt total? Erst zitierst du mich am Samstagnachmittag händeringend
     in dein Hexenhäuschen, bekniest mich, Fredl wegen Paulis Kredit
     weichzuklopfen, und dann leugnest du, dass ich um vier Uhr bei dir gewesen
     bin!« Salma Schleißheimers Stimme bebte vor Zorn.
    »Salli, ich kann
     wirklich verstehen, dass du ein Alibi brauchst«, sagte Lotte
     Heinrich beschwichtigend, »aber ich muss auch Rücksicht auf
     Julie nehmen, die nun mal den ganzen Samstagnachmittag bei mir zu Hause
     war. Übrigens hat sich auch Johnny von halb vier bis vier seine
     Schulter behandeln lassen. Und wenn du nicht plötzlich an Gedächtnisschwund
     leidest, musst du zugeben, dass die Besprechung wegen Paulis Kredit schon
     eine Woche früher stattgefunden hat.«
    Das war deutlich, dachte
     Kotek. Übersetzt hieß das: Besorg dir gefälligst ein
     anderes Alibi, meine Tochter braucht ihres dringender als du deins.
    Aber Salma Schleißheimer
     dachte nicht im Traum daran, sich so abspeisen zu lassen: »So gehst
     du nicht mit mir um, Lotte! Mit mir nicht! Mir ist klar, dass du für
     deine Tochter lügst. Keine Frage, ich würde es genauso machen.
     Deshalb habe ich unser Treffen zunächst auch verschwiegen. Hat ja mit
     Fredls Tod nichts zu tun. Aber die Kripo, die neben dir steht, hat mir
     heut Vormittag das Messer auf die Brust gesetzt, und wenn es hart auf hart
     kommt, ist mir mein Alibi wichtiger als die Loyalität zu einer
     Jugendfreundin, das sage ich dir klipp und klar! Außerdem habe ich
     einen unschlagbaren Vorteil auf meiner Seite: Im Gegensatz zu dir sage ich
     die Wahrheit!«    
    »Du kannst von mir aus
     aussagen, was du willst.

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