Dohlenflug
Schnitzereien auf Hölzern, als Vogelfedern und Figuren auf
gegerbten Tierhäuten.
Als Ausgleich zu dem okkulten
Krimskrams sind die gepolsterten Korbsessel orthopädisch geformt und
sicher eine Wohltat für jeden, der ein Bandscheibenleiden hat, dachte
Kotek erheitert.
»Herr Regenmandl, zunächst
zu Ihnen«, begann sie. »Nachdem Frau Simcits Ihr Alibi vom
Samstag nicht bestätigt hat, sollten Sie uns dringend sagen, wo Sie
am Samstagnachmittag wirklich waren. Sie scheinen es ja immer noch nicht
begriffen zu haben: Bei vorliegender Indizienlage stehen Sie mit einem
Bein bereits in U-Haft, und das ist durchaus kein Scherz.«
Regenmandl ließ seinen
Oberkörper im Sitzen wie ein Sumo-Ringer nach vorn fallen. »Indizien
sind noch keine Beweise, und ohne Beweise werden Sie sich ernste
Schwierigkeiten einhandeln, Mäuschen.«
Der behäbig wirkende
Feuersang sprang wie von einer Feder hochkatapultiert auf, riss Regenmandl
am Revers seiner Lederjacke aus dem Sessel, als wäre der schwere Mann
eine Holzgliederpuppe, und schmetterte ihn mit dem Rücken gegen die
Rigipswand, sodass das ganze Haus erzitterte. Nicht nur Lotte Heinrich
wurde bei diesem Ausbruch roher Gewalt blass um die Nase.
»Jetzt pass mal auf, du
Kotzbrocken«, flüsterte das cholerische Muskelpaket dem
Gebeutelten Nase an Nase zu. »Oberleutnant Kotek ist erstens kein Mäuschen,
und zweitens würde ich bei dieser Indizienlage sogar den Präsidenten
der EZB in den Häfen stecken, also erst recht einen aufgeblasenen
Provinz-Sparefroh wie dich! Soll ich dir die Gründe für deine
Verhaftung aufzählen? Ha? Soll ich?«
Regenmandl wurde durchgeschüttelt
wie ein nasser Sack. Er wagte keine Gegenwehr, und Feuersang begann:
»Da wäre zunächst deine Erpressbarkeit. Schleißheimer
hatte dich am Wickel – womit auch immer, es war jedenfalls keine
Kleinigkeit, und wir werden es noch herausbekommen. Deshalb hast du ihm
ganz unverhohlen gedroht. Dann ist da noch dein Gspusi mit der Witwe. Aber
der Hauptgrund, mein lieber Freund, ist die strikte Verweigerung jeder
Kooperation. Allein deshalb können wir dich bei einer derartigen
Verdachtslage für vierundzwanzig Stunden einnähen.«
»Chefinspektor, lassen
Sie den Mann augenblicklich los und entschuldigen Sie sich für den
Übergriff«, ordnete Oberleutnant Kotek reichlich verspätet
an.
»Ich entschuldige mich«,
sagte Feuersang artig und streifte mit den Rückseiten seiner
Wurstfinger über die Revers von Regenmandls Lederjacke, als wolle er
sie glätten. Regenmandl zuckte in Erwartung neuerlicher Gewalt zurück,
wobei seine rechte Hand unwillkürlich in die Höhe fuhr, aber der
Kriminalbeamte drückte ihn nur sanft in den Sessel zurück. Und
mit ebenso sanfter Stimme fragte er: »Also, Jean Pierre Regenmandl,
wo waren Sie am Samstagnachmittag?«
»Er war bei mir«,
sagte Lotte Heinrich an seiner statt. »Meine Tochter war übrigens
auch da. Leider kann ich sie im Moment nicht erreichen. Hab keine Ahnung,
warum sie ihr Handy nicht eingeschaltet hat.«
»Und warum sagen Sie
das nicht gleich?«, wandte sich Kotek an Regenmandl.
Wieder übernahm die
Psychotherapeutin die Antwort: »Johnny schämt sich für
unsere Entspannungsnachmittage, macht immer ein schreckliches Geheimnis
draus. Er will nicht, dass irgendjemand auf die Idee kommt, ich könnte
in der Praxis auch noch etwas anderes mit ihm anstellen, als seine lädierte
Schulter zu behandeln.«
»Mit irgendjemand ist
dann wohl Salma Schleißheimer gemeint?«, konkretisierte Kotek.
»Auch, aber nicht nur.
Ich sagte ja, er schämt sich dafür.«
»Also war Salma Schleißheimer
an diesem Nachmittag nicht bei Ihnen?«
Lotte Heinrich stutzte.
»N… nein. Wie kommen Sie jetzt ausgerechnet auf Salli?«
Kotek blickte durch ein
Fenster in den Regen hinaus und zählte im Geist bis zehn, bevor sie
antwortete. »Weil Frau Schleißheimer Sie als Alibi für
die vermutliche Mordzeit angegeben hat. Zuvor hatte sie mich diesbezüglich
schon einmal angelogen, hat mir aber nun glaubhaft versichert, Sie hätten
sie zu sich bestellt. Es wäre um den Kredit für Marageter
gegangen. Salma Schleißheimer sollte ihn bei ihrem Gatten befürworten.
Recht erstaunlich, die Begründung, wo doch Paul Marageter vorhin
behauptet hat, der Kredit sei ihm bereits am Freitag zugesichert worden, während
Frau Schleißheimer mir wiederholt erklärt
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