Dohlenflug
Kardinalsschnitte verharrte vor Koteks Mund.
»Du vergisst Blaulicht-Pauli. Erinnerst du dich? Er sagte, Czerwenka
junior, Regenmandl und er würden nach der Therapie am Montag immer
ein Gläschen mit der Heinrich trinken. Das klingt nach Vertrautheit,
und Paul Marageter war in den einschlägigen Tagen ein junger Gendarm.«
Feuersang zog die Augenbrauen
hoch. »Du meinst, er könnte geholfen haben, die Vorgänge
zu vertuschen?«
»Und Ermittlungen zu
unterbinden«, ergänzte Kotek, »oder zumindest zu
verschleppen. Ja, davon bin ich überzeugt, Salma Schleißheimer
verschweigt uns noch immer gravierende Vorkommnisse innerhalb des
Laderdinger Kreises.«
»Und zu den Beteiligten
würdest du also neben ihr, Lotte Heinrich, Regenmandl und Czerwenka
senior auch Marageter zählen, der nicht nur weggeschaut, sondern auch
beim Vertuschen geholfen hat?«
Kotek nickte. »Davon
gehe ich aus. Allerdings ist Czerwenka senior mit seinen neunzig Jahren
als Killer wohl auszuschließen.«
»Der Junior ebenfalls«,
sagte Feuersang, der Kellnerin winkend. »Für Samstagnachmittag
hat Alexander Czerwenka ein bombensicheres Alibi: Er hat bis zum Ende an
jener Sitzung im Gemeinderat teilgenommen, die Regenmandl frühzeitig
verlassen hat. Vermutlich ist er der einzige Uneingeweihte der Gruppe und
weiß über diese ekelhafte Seite seines Erzeugers gar nicht
Bescheid. Und selbst wenn: Warum hätte er sich auf diese grausige Art
und Weise die Finger schmutzig machen sollen?«
»Nein, das Motiv, den
Imageschaden zu vermeiden, wäre in Zeiten einer galoppierenden
Werteinflation viel zu wenig zugkräftig. Bleiben also Regenmandl,
Marageter, die Heinrich und die Schleißheimer übrig«, resümierte
Kotek. »Lass stecken, Leo. Ich zahl heute.«
»Danke, Godn.
Regenmandl traue ich einen solchen Mord eigentlich nicht zu. So verwegen,
wie er mit der Augenklappe aussieht, habe ich mir als Kind immer den John
Silver aus der Schatzinsel vorgestellt, aber heute hat er mich, was
Schneid und Kühnheit anlangt, wirklich enttäuscht. Bei meiner
zugegeben rüden Attacke hat er sofort den Schwanz eingezogen.«
»Deshalb hast du sicher
noch ein Echo zu erwarten. Mindestens eine dicke Beschwerde, wenn nicht
gar eine Anzeige.«
»Ich werd’s
überleben.« Feuersang war nicht sehr beeindruckt.
»Trotzdem«,
setzte Kotek fort, »halte ich Regenmandl, den Sohn eines
Fleischhauers, durchaus für fähig, jemanden so abzuschlachten,
wie es unser Mörder mit Schleißheimer getan hat. Immerhin ging
es bei ihm bereits ans Eingemachte. Sein aufmüpfiger Untergebener
muss ihn am Lebensnerv getroffen haben. Da spielt es keine Rolle, wenn
John Silver seinem Piratenimage nicht gerecht wird. Ist er deshalb etwa
automatisch ein Feigling? Nicht wenn die Zurückhaltung Kalkül
war. Vielleicht wollte er ja feig erscheinen.«
Jetzt war Feuersang doch
beeindruckt. »Eins zu null für dich. Warum komm ich da nicht
einfach selbst mal drauf? Dabei hab ich Resi Neuhuber noch selbst in den
Mund gelegt, dass Regenmandl mit einem Schlachtmesser umgehen kann, und
sie hat es bestätigt.«
»Kein Beinbruch, Leo,
solange wir gemeinsam jede Eventualität im Auge behalten. Und eine
solche ist meiner Meinung nach auch Paul Marageter, Sohn eines Berufsjägers
und Enkel eines Südtiroler Bauern. Er hat sicher schon so manches Stück
Wild ausgeweidet und Nutztiere mit eigener Hand geschlachtet.«
»Du meinst –«
»Ja, Marageter hätte
durchaus das Profil des willfährigen Auftragskillers, auch wenn er
einmal Polizist gewesen ist – vielleicht gerade deshalb. Jeder vom
Laderdinger Kreis wusste über seine Finanzmisere Bescheid. Man kann’s
drehen und wenden, wie man will, aber Schleißheimers Tod bedeutet für
ihn das geschäftliche Überleben – zumindest für die nächste
Zeit.«
»Und Marageter ist zufällig
auch Chrissies leiblicher Vater. Das sollte nicht vergessen werden.«
Kotek schüttelte
missbilligend den Kopf. »Doch. Ich glaube, gerade das können
wir vergessen. Schleißheimer selbst hat es doch auf den Punkt
gebracht: Der gute Pauli hat sich vierzehn Jahre lang nie um Chrissie gekümmert.
Und ausgerechnet jetzt soll er Übergriffe ihres pädophilen
Pflegevaters befürchtet haben? Sehr unwahrscheinlich. Fakt dagegen
ist, dass ihm der dringend benötigte Überbrückungskredit
bewilligt wurde – rückdatiert und vom Mordopfer
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