Dohlenflug
gespritzt.« Sie grinste, wohl wissend,
womit sie Feuersang eine Freude machen konnte. »Ich fahre, Leo.«
Ihr Kollege strahlte wie ein
frisch lackiertes Schaukelpferd.
Das Abendmenü bestand
aus Frittatensuppe, Wiener Schnitzel mit Reis und gemischtem Salat und
einer Kardinalsschnitte als Nachspeise. Kotek, die an Wochentagen abends
gewöhnlich gar nichts aß, empfand nach dem entfallenen
Mittagessen keinerlei Gewissensbisse.
Feuersang nahm ebenfalls die
Frittatensuppe, als Hauptspeise aber das durch das ganze Lokal verführerisch
duftende Bauchfleisch mit Knödel und Grammel-Krautsalat und als
Nachspeise einen besoffenen Kapuziner.
»Und jetzt erst einmal
eine Weiße«, schloss er seine Bestellung ab, ehe die Kellnerin
noch nach seinem Getränkewunsch fragen konnte.
Während der deftigen
Mahlzeit sprachen sie nicht über den Fall, aber eine Bemerkung konnte
sich Feuersang doch nicht verkneifen: »Mich wundert es wirklich,
dass Oskar sich noch nicht gemeldet hat. Diese vornehme Zurückhaltung
ist ja sonst nicht gerade seine Art – jedenfalls nicht bei einem so
spektakulären Fall.«
Kotek lächelte. »Ich
habe mit ihm um einen Karton seines Lieblingsweins gewettet, dass er es
nicht schafft, uns bis zur Heimfahrt in Ruhe zu lassen.«
»Das heißt im
Klartext, dass du dich bei ihm melden sollst, sobald wir das Tal
verlassen. Oder willst du vorher etwa noch einmal bei der Bachblüten-Lotte
vorbeischauen?«
»Nein. Nach der
Vernehmung ihrer Busenfreundin Schleißheimer hatte ich es zwar vor,
aber für heut ist es wirklich genug. Sie steht morgen als Erste auf
meiner Liste. Übrigens werde nicht ich bei Oskar rapportieren,
sondern du wirst das übernehmen. Schließlich bin ich der
Fahrer, darf also nicht abgelenkt werden.«
»Ach, so läuft der
Hase also? Das lässt deine Großzügigkeit, was den
Rollentausch hinterm Lenkrad anlangt, nicht mehr in ganz so strahlendem
Licht erscheinen.«
»Tja, so kommen einem
die Illusionen über seine Mitmenschen Stück für Stück
abhanden.«
Erst beim Kaffee begannen sie
den Ermittlungsstand zu reflektieren und zu analysieren.
»Sehen wir von uns
nicht bekannten Missbrauchsopfern und deren Angehörigen einmal ab,
dann kommen vorläufig welche Personen als Mörder von Schleißheimer
in die engere Wahl?«, eröffnete Kotek das Briefing. »Wer
hatte ein starkes Motiv, Zeit, Gelegenheit und kein plausibles Alibi?«
»Weit vorne auf der
Kandidatenliste steht für mich die Bachblüten-Lotte«, resümierte
Feuersang. »Sie wurde in ihrer Jugend jahrelang sexuell ausgebeutet
und erfährt nun, dass das Leben ihrer Tochter eine ganz ähnliche
Richtung genommen hat. Da muss man sich über den Schweißausbruch
nicht wundern. Die entscheidende Frage aber ist: Wann genau hat sie davon
erfahren? Sollte sie schon vor Tagen dahintergekommen sein, passt die
Schlachtplatte in der Rettenwänd-Hütte zu einem entfesselten
Muttertier wie die Faust aufs Auge. Zeit und Gelegenheit, an dem geschäftigen
Samstag vor dem Erntedankfest ungesehen in die Gadaunerer Hochalm zu
fahren, hätte sie – neben anderen – locker gehabt, und
das Alibi, das sie und Regenmandl sich gegenseitig für den
Samstagnachmittag geben, kann man sowieso vergessen.«
»Kann man«, bestätigte
Kotek. »Auf das Alibi kommen wir später noch zurück. Zunächst
ist außer einem Mord aus Hass auf den Kinderschänder auch ein
Präventivmord in Betracht zu ziehen. Wir müssen davon ausgehen,
dass Fredl Schleißheimer etwas über Lotte Heinrich wusste, das
uns seine Witwe nicht erzählt hat. Vielleicht hatte er es von Julie
erfahren oder aus den Unterlagen, die er Regenmandl gestohlen hat.«
»Es ist schon
ausgesprochen seltsam, dass so gar nichts Persönliches von Lotte
Heinrich in ihrem Haus gefunden wurde«, merkte Feuersang an. »Entweder
hat sie belastendes Material rechtzeitig beiseitegeschafft …«
»… oder«,
setzte Kotek fort, »es wurde ihr schon vor Tagen von jenen Personen
entwendet, die bei ihr ein und aus gehen und die ich der Einfachheit
halber jetzt mal den Laderdinger Kreis nenne …«
»… welchem
Regenmandl, der alte Czerwenka, Salma Schleißheimer und eben Lotte
Heinrich angehören«, ergänzte wiederum Feuersang, »während
die Übrigen entweder verstorben, verschollen oder von Gastein
weggezogen sind.«
Die Mehlspeisgabel mit dem
ansehnlichen Stück
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