Dohlenflug
Worte einen Stich, obwohl der Kommentar keine
versteckte Kritik an ihr enthalten hatte.
»Und von Häuslschmieds
Erbe hat sie jetzt auch nichts mehr«, fügte er mit echtem
Bedauern hinzu.
»Häuslschmieds
Witwe scheint da eher vom Glück begünstigt gewesen zu sein«,
sagte Kotek, ihre Schuldgefühle archivierend. »Die Verbindung
zwischen dem Einbruch in ihr Haus und den Morden an Lotte Heinrich und
Schleißheimer bedeutet nichts anderes, als dass sich die Häuslschmied
zwar in der Person des Einbrechers geirrt hat, nicht aber in der Annahme,
dass sie sterben sollte.«
»Ja, der Konnex
zwischen den Tötungsdelikten und dem Einbruch bei Amanda Häuslschmied
ist ziemlich offensichtlich«, bestätigte Jacobi noch einmal.
»Es war immer derselbe Täter, der sich große Mühe
gegeben hat, sowohl den Mord an Schleißheimer als auch die Ermordung
Lotte Heinrichs für uns als extrem gefühlsbetonte
Beziehungstaten zu inszenieren.«
Er warf seiner Beifahrerin
einen Aufmerksamkeit heischenden Blick zu. »Der Anruf Amanda Häuslschmieds
bei der vermeintlichen Einbrecherin Lotte Heinrich verknüpft wiederum
alle drei Delikte miteinander. Aber es wäre trotzdem falsch, Q als
Serientäter zu sehen. Ich halte ihn eher für einen von Zeit und
Zwängen Getriebenen.«
»Du hast die
Inszenierung der Morde angesprochen. Wie war sie denn bei Lotte Heinrich?«
Feuersang, an den die Frage
Koteks gerichtet war, ließ sich nicht lange bitten: »Ganz
ähnlich wie bei Fredl Schleißheimer – mit dem
Unterschied, dass Lotte Heinrich ihren Mörder eben selbst ins Haus
gelassen hat.«
»Und das trotz ihrer
Angst und den Todesahnungen?«, wunderte sich Kotek.
»So muss es wohl
gewesen sein. Und da sie oben in Julies Zimmer niedergeschlagen und
erstochen wurde, wird der Mörder sie auch noch veranlasst haben
dorthinzugehen. Die Tötung selbst verlief wie eine Kopie des Mordes
an Schleißheimer: Schlag auf den Kopf, Stich in die Halsschlagader
und Stich ins Herz, der unterm Rippenbogen nach oben geführt wurde.
Der Leichnam wurde malerisch auf Julies Bett drapiert, und zwar im
wahrsten Sinne des Wortes: Der ganze Körper ist mit Lotte Heinrichs
eigenem Blut bemalt worden – auf dieselbe Art und Weise wie Schleißheimers
Leiche. Ein Unterschied ist den Beamten vor Ort allerdings doch
aufgefallen: Obwohl die Vorgehensweise wieder den Profi verrät, sind
Stiche und Malereien diesmal fast flüchtig ausgeführt worden, so
als hätte der Täter unter Zeitdruck gestanden.«
»Du hast einen weiteren
Unterschied vergessen«, mahnte Jacobi.
»Nur keine Ungeduld«,
verwahrte sich Feuersang. »Nach Schilderung der Kollegen hat jemand
die rechte Hand der Leiche, solange sie noch beweglich war, zur Faust
geballt und in dieser Stellung so mit einer Kordel zusammengebunden, dass
die Daumenspitze zwischen Zeige- und Mittelfinger hervorlugt. Was das
bedeuten soll, wissen wir noch nicht, aber –«
»Aber ich weiß
es!«, fiel ihm Kotek ins Wort. »Von der Eisenzeit bis ins Frühmittelalter
wurden in Mittel- und Nordeuropa Ehebrecherinnen auf diese Weise
gekennzeichnet, bevor man sie erdrosselt und im nächsten Moor
versenkt hat.«
»Wirklich?«
Jacobi war erstaunt. »Und? Sagt uns das etwas?«
Kotek zuckte mit den Achseln.
»Natürlich sollen wir es für eine Botschaft halten. Aber
ich tippe eher auf eine für uns gelegte Spur – wie die in der
Rettenwänd-Hütte. Wir vergeuden nur Zeit, wenn wir uns mit
diesem Mystik-Schmus eingehender beschäftigen.«
»So endgültig würde
ich diesen Schmus, wie du ihn bezeichnest, aber nicht abhaken«,
widersprach Jacobi.
Kotek richtete den Blick
vielsagend nach oben. »Wie schon bei der Ermordung Schleißheimers
dient der ganze Voodoo-Zauber vermutlich nur einem Zweck«, sagte sie
gedehnt. »Die wahren Beweggründe zu verschleiern, um Q einen
Zeitgewinn zu verschaffen.«
»Womit wir bei den
Motiven wären«, klinkte sich Feuersang wieder ein. »Wenn
der Täter so erpicht darauf ist, uns Beziehungs- oder Sexualkisten
unterzujubeln, sind solche, wenn schon nicht ganz, so doch tendenziell
auszuschließen. Bleiben also wieder einmal nur welche Kategorien
übrig?«
»Gier oder
Verlustangst?«, bot Kotek an.
»Wahrscheinlich beides«,
vermutete Feuersang. »Fredl Schleißheimer hatte durch seine
illegale Aktion in der Regenmandl’schen Villa Zugang zu Infos
bekommen, über die
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