Dohlenflug
Lotte Heinrich längst verfügte. Allem
Anschein nach wurde der neu eingestiegene Player in Form von Schleißheimer
dem Täter daraufhin zu gefährlich. Er handelte, und Lotte
Heinrich, die bis dahin keine Gefahr für ihn dargestellt hatte, aber
nun Aufschluss über den Mörder hätte geben können,
musste ebenfalls sterben.«
»So könnte es
gewesen sein«, pflichtete Jacobi seinem langjährigen Kollegen
und Freund bei.
»Unsre Favoriten, die
jetzt als Täter in Betracht kommen, wären also …«
Kotek ließ den Satz unvollendet, um dann fortzusetzen: »Die Häuslschmied
hat vier Personen übermäßige Gier vorgeworfen, wobei Lotte
Heinrich schon einmal ausscheidet.«
»Bleiben abgesehen vom
berühmten Unbekannten noch Regenmandl, Marageter und die Schleißheimer«,
ergänzte Feuersang. »Die hatten wir schon vorher auf der
Rechnung, wogegen die beiden Czerwenkas eher nicht in Frage kommen: der
Senior wegen Gebrechlichkeit und der Junior wegen seines zementierten
Alibis.«
»Ganz deiner Meinung«,
sagte Jacobi. »Auch Julie Heinrich und Amanda Häuslschmied sehe
ich als krasse Außenseiter. Sowohl das Mädchen als auch die
Seniorin sind kaum in der Lage, die Morde so zu begehen, wie sie begangen
worden sind. Selbst wenn beide irgendwann einmal gelernt hätten, ein
Schlachtmesser zu führen. Außerdem müsste Julie nach
Faktenlage eine irre Mutter- und Serienmörderin sein. Eine ziemlich
extreme Einschätzung weitab von jeder Wahrscheinlichkeit.«
»Jean Pierre Regenmandl
dagegen hat sich durch sein Abtauchen im Ranking weit nach vorn
katapultiert«, stellte Kotek nachdenklich fest.
Jacobi sah im Rückspiegel,
wie Feuersang den Kopf schüttelte.
»Mein Favorit ist nach
wie vor der Exkollege Blaulicht-Pauli«, tönte es auch gleich
darauf aus dem Fond. »Er passt einfach zu gut ins Täterprofil
– eigentlich immer besser, wo sich doch Geld als Motiv
herauskristallisiert und kein anderer unserer Kandidaten in der Lage wäre,
jemanden so fachmännisch abzustechen.«
»Eine sehr einseitige
und daher unzulässige Gewichtung«, widersprach Kotek, die tags
zuvor noch selbst Marageter favorisiert hatte. »Regenmandl mag schon
lange kein Schlachtmesser mehr in der Hand gehabt haben, wenn es aber um
Sein oder Nichtsein geht, würde er das noch allemal hinkriegen.
Dasselbe gilt für Salma Schleißheimer. Erstens wissen wir, dass
sie Jägerin ist, zweitens steht in ihrem amtlichen Lebenslauf, dass
sie nach ihrer Pflichtschulzeit eine Lehre in der Fleischhauerei
Regenmandl absolviert hat, und anschließend muss ihr jemand den
zweijährigen Hotelfach-Lehrgang für Erwachsene in der
Tourismusschule Bischofshofen ermöglicht haben.«
»Wahrscheinlich
ebenfalls Regenmandl«, mutmaßte Feuersang.
»Der hat sich übrigens
noch gestern Abend telefonisch bei Rothmayer über dich beschwert, Leo«,
hakte Jacobi ein.
»Du hast eins vergessen
hinzuzufügen: Ehe er die Fliege gemacht hat«, konterte der Gerügte
unbeeindruckt. »Hat man Vesna Simcits, die Haushälterin, denn
schon einvernommen?«, fragte er gleich anschließend. »Die
weiß bestimmt, wo er abgeblieben ist. Jetzt, wo der arme Johnny so
in der Bredouille ist und sogar seine Geliebte Salma auf Distanz zu ihm
geht, wett ich drauf, dass die geprügelte Vesna wieder regen Anteil
an seinem Schicksal nehmen wird.«
»Leo, der
Frauenversteher, ja?«, spottete Kotek.
»Leo hat vielleicht
recht«, gab der Oberst seinem Chefinspektor Rückendeckung.
»Jedenfalls ist es nicht die schlechteste Idee, bei der Simcits
nachzuhorchen, vorausgesetzt natürlich, sie ist noch greifbar. Ruft
mal gleich an. Sie hat Regenmandl geliebt oder liebt ihn immer noch, kennt
ihn jedenfalls am besten – wahrscheinlich noch besser, als die
Schleißheimer ihn zu kennen glaubt. Wenn sie nicht gemeinsam mit ihm
verschwunden ist, sollte man ihr entlocken können, wohin er sich
eventuell verkrochen hat.«
In diesem Moment spielte
Jacobis Handy die Melodie von »Brave Scotland«.
»Ja, Lenz? Hast du was
Neues für uns?« Er stellte den Lautsprecher auf Mithören.
»In Regenmandls Hütte
ist jemand – ich glaub, es ist das Mädchen«, meldete sich
Major Redl. Sein gedämpfter knorriger Bariton war unverkennbar.
»Eben wird eingeheizt, und der Kamin beginnt zu rauchen. Ein Fenster
vorn neben der Tür steht offen, obwohl es regnet und ein eiskalter
Wind
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