Dohlenflug
bläst. Ich hab mich im Morgengrauen an die Hütte
rangepirscht. Geht natürlich alles sehr, sehr langsam. In dieser
Stille hörst du ja jedes Geräusch, das nicht hierher gehört.
Ich melde mich dann wieder.«
»Einen Moment, Lenz,
wir haben noch eine wichtige Info für dich: Die Mutter von Julie ist
heut Nacht ermordet worden – auf dieselbe Art und Weise wie Fredl
Schleißheimer.«
»Oh, Scheiße! Das
arme Mensch. Ich nehm an, ich soll Julie das vorläufig noch
verschweigen, wenn sie denn tatsächlich die Person in der Hütte
ist.«
»Genau darum wollte ich
dich bitten.«
»Geht klar. Bis später
dann.«
Der Dreier-Konvoi fuhr eben
in den ersten der beiden Pass-Lueg-Tunnel ein, und obwohl im Ofenauer und
Hiefler Tunnel Handy- und Radioempfang möglich war, hörten sie
vorerst nichts Neues mehr von Redl.
»Es ist einfach irr,
wie Lenz das immer wieder im Handumdrehn hinkriegt«, meinte
Feuersang achselzuckend. »Die Spusi hat Julie trotz Unterstützung
durch die Gasteiner Kollegen gestern nicht gefunden, deshalb sollte ja
heute eine Hundestaffel angefordert werden. Und er fährt allein auf
die Alm und findet sie sofort. Wie macht der Mann das bloß?«
Er erwartete auf seine Frage
keine Antwort. Redl hatte anderen Menschen eines voraus: untrüglichen
Instinkt. Er spürte, wo, wie und wann an eine Sache heranzugehen war.
Falls Julie sich überhaupt im Laderdinger Alpl aufhielt, konnte sie
am Vortag die Einsatzwagen schon von Weitem gehört, sich in die Büsche
geschlagen und einige Kilometer zwischen sich und die Hütte gebracht
haben. Erst nach dem Abzug des Suchtrupps und der Spusi, den sie durch ein
Fernglas beobachtet haben könnte, war sie dann – nicht zuletzt
durch die Witterung genötigt – zur Hütte zurückgekehrt.
Redl hatte seinen Pkw
wahrscheinlich weit unten im Wald abgestellt und war noch in stockfinstrer
Nacht zur Alm aufgestiegen, um sich schließlich der Hütte auf
den letzten paar hundert Metern mit größter Vorsicht zu nähern,
wie seine Beschreibung – »sehr, sehr langsam« – ja
anschaulich nahegelegt hatte.
»Für solche
Spezialaufgaben gibt es keinen Besseren als ihn«, stellte Kotek
neidlos fest. »Das bringt mich auch gleich zur erforderlichen
Arbeitsteilung. Sollte Lenz Julie tatsächlich gefunden haben –«
»Dann wird er sie zunächst
zu Cornelia bringen, die ich für diese spezielle Aufgabe
hereinbestellen werde«, fiel ihr Jacobi ins Wort. Sein Versprechen,
sich nicht einzumischen, schien er schon wieder vergessen zu haben.
»Das Mädel hat heut Nacht seine Mutter verloren und –
egal, ob es nun Täter oder nur Opfer ist – braucht nichts nötiger
als den Beistand einer erfahrenen Psychologin. Ein Opfer ist Julie in
jedem Fall. Sie wird ganz sicher Polizeischutz bekommen.«
»Selbst ohne deinen
ausdrücklichen Rat hätte ich nichts anderes angeordnet, Herr
Oberst«, sagte Kotek mit einem Klirren in der Stimme, das Jacobi
immer starkes Unbehagen verursachte. »Und Lenz soll auch nach
Regenmandl suchen. Den müssen wir unbedingt finden, ehe die
Ereignisse weiter eskalieren.«
»Du weißt aber,
dass Lenz an seinem eigenen Fall dran ist?«, wandte Jacobi ein.
»Er hat dir ohnehin schon Max abgetreten.«
»Den Zischlpfitzer hat
er ja auch noch. Und sein Fall ist nicht so dringend wie unsrer. Die
beiden Leichen, die von Halleiner Kindern in den Salzach-Öfen
entdeckt worden sind, lagen dort bestimmt schon seit dem Frühjahr.
Ich seh schon, ich muss ihn selbst darum bitten, wenn er sich wieder
meldet. Leo, du und Max, ihr macht wie vereinbart den Tatort im Haus der
Bachblüten-Lotte klar und überprüft bei den
Marageter-Haussuchungen auch seine Alibis für die zwei
Todeszeitpunkte. Dasselbe Programm bei der Schleißheimer. Die gute
Salma soll nicht glauben, dass sie für uns schon außer Obligo
ist. Sie hat mir ein bisschen zu oft gelogen und hält wahrscheinlich
noch immer wichtige Hintergrundinfos zurück. Der Herr Oberst und ich
fahren zur Häuslschmied, und während Oskar anschließend im
›Schlössl‹-Café seinen Schulfreund trifft, werde
ich zunächst zu den Czerwenkas und dann zum Posten fahren. Vom Besuch
beim Notar verspreche ich mir allerdings nicht besonders viel. Der Junior
weiß vermutlich gar nichts, und der Senior wird sich entweder nicht
erinnern wollen oder können, aber ich möchte mir hinterher nicht
Nachlässigkeit
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