Dohlenflug
vorwerfen lassen.«
Beide Männer verstanden,
worauf sie anspielte, aber nur Feuersang war mit einer Entgegnung zur
Hand: »Melanie, nicht wir haben die Bachblüten-Lotte
umgebracht, sondern der Mörder oder die Mörderin war’s.«
18
DER HIMMEL hatte noch immer
nicht vor, seine Schleusen zu schließen. Seit Montagnachmittag goss
es wie aus Kübeln im Gasteiner Tal. Was sich oben auf den Berghängen
in puncto Schneefall tat, konnte man vom Tal aus gar nicht erst erkennen,
so tief hingen die Wolken.
Jacobi hielt nur kurz vor dem
Heinrich-Anwesen, um Feuersang abzusetzen. Der Chefinspektor, sein Kollege
Haberstroh und die Spusi-Leute beeilten sich, ein Dach über den Kopf
zu bekommen. Beim Wegfahren fiel Jacobis Blick zufällig auf den
eigenartigen Blumenschmuck an der Silbertanne neben dem Blockhaus. Er
konnte die Besitzerin nicht mehr fragen, was die Rosenköpfe an den
tropfnassen Zweigen des Nadelbaums bedeuteten, aber vielleicht ihre
Tochter – falls sie denn wieder auftauchte.
Das brachte ihn wieder auf
Redl. Hatte er das Mädchen nun gefunden oder doch nicht? Sein Anruf
war eigentlich überfällig.
Jacobi verdrängte die
aufkeimenden Bedenken. Redl war sein bester Mann, warum sollte er plötzlich
von einer nicht vorhersehbaren Situation überrascht worden sein?
Kotek kannte ihren Lebensgefährten
zu gut, um an seiner Einsilbigkeit nicht zu merken, dass ihn etwas bedrückte.
Außerdem fuhr er ohne Grund wie ein Henker – eine typisch
Jacobi’sche Übersprungshandlung.
»Du musst dir keine
Sorgen um Lenz machen«, sagte sie deshalb. »Wenn er nicht
anruft, wird er schon seine Gründe haben. Ich wette, er hat bereits
Kontakt zu dem Mädchen aufgenommen und will nun sein Vertrauen
gewinnen, anstatt Julie durch eine diensteifrige Erfolgsmeldung vor den
Kopf zu stoßen.«
Jacobi blickte kurz zu ihr
hinüber. »Ich mag es nicht, wenn jemand meine Gedanken liest«,
knurrte er.
Kotek zog die schönen
Augenbrauen hoch. »So? Erstens bin ich nicht irgendjemand, und
zweitens kann ich mich an Zeiten erinnern, da hattest du es ganz gern,
wenn ich deine Gedanken las. Aber jetzt im Ernst: Redl braucht sicher
etwas Zeit, um dem traumatisierten Mädchen Vertrauen einzuflößen.
Auch wenn er mit seinem George-Clooney-Grinsen zweifellos bei jedem
Eindruck schindet und ich mir auch vorstellen kann, dass Julie bei ihm ins
Plaudern kommt, darf er doch keinen Fehler machen. Denk an Chrissie.
Geduld bringt Rosen.«
»Apropos Rosen«,
knüpfte Jacobi an dieser Stelle nachdenklich an. »Hast du die
Rosenköpfe an der Silbertanne bei der Heinrich gesehen? Seltsam,
oder? Passt eigentlich nicht zu dem übrigen Brimborium an den Hauswänden.«
Sie waren inzwischen wieder
auf der Bundesstraße in Richtung Bad Hofgastein unterwegs.
»Was hältst du von
folgendem Vorschlag, Oskar?«, ignorierte Kotek die Frage und kam zum
Thema zurück. »Wir vernehmen erst einmal die alte Häuslschmied,
und wenn sich Lenz danach noch immer nicht gemeldet hat, rufst du ihn an.
Okay?«
Jacobi grunzte etwas Unverständliches,
das man gegebenenfalls als Einverständnis interpretieren konnte.
19
DER GENDARMERIEMAJOR ließ
sich Zeit. Nach dem Telefongespräch mit Jacobi umrundete er zunächst
die ehemalige Almhütte, die auf einer kleinen Lichtung stand. Es war
einfach, sich in der Deckung von Bäumen und Unterholz zu halten, denn
der Almboden war wohl schon seit Jahrzehnten nicht mehr vom Bewuchs
befreit worden und es schüttete nach wie vor ohne Unterlass.
Man konnte der Hütte
ansehen, dass sich schon lange niemand mehr um die Instandhaltung gekümmert
hatte, dabei musste sie früher ein Schmuckstück
almwirtschaftlicher Zweckbauweise gewesen sein. Die händisch
hergestellten Holzschindeln, nach alter Tradition mit großen Steinen
beschwert, umrahmten zwei ins Dach integrierte Solarzellen-Paneele so
selbstverständlich, als wäre die Fotovoltaik schon immer ein
fixer Bestandteil von Almhüttendächern gewesen. Die balkenlosen
Fenster an Front und Flanken der Hütte stellten dagegen keinen Tribut
an die Moderne dar, ihr Design hatte sich über die Jahrhunderte
hinweg nicht verändert. An der Hüttenrückseite, die zum
Berg hin gewandt war, fehlten allerdings die kleinen Luken, sodass es nur
eine Hintertür gab. Rechts und links davon waren lange Bloche als
Brennholzreserve aufgeschichtet und mit Dachpappe vor
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