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Dohlenflug

Dohlenflug

Titel: Dohlenflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Gracher
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vorwerfen lassen.«
    Beide Männer verstanden,
     worauf sie anspielte, aber nur Feuersang war mit einer Entgegnung zur
     Hand: »Melanie, nicht wir haben die Bachblüten-Lotte
     umgebracht, sondern der Mörder oder die Mörderin war’s.«

 
    18
    DER HIMMEL hatte noch immer
     nicht vor, seine Schleusen zu schließen. Seit Montagnachmittag goss
     es wie aus Kübeln im Gasteiner Tal. Was sich oben auf den Berghängen
     in puncto Schneefall tat, konnte man vom Tal aus gar nicht erst erkennen,
     so tief hingen die Wolken.
    Jacobi hielt nur kurz vor dem
     Heinrich-Anwesen, um Feuersang abzusetzen. Der Chefinspektor, sein Kollege
     Haberstroh und die Spusi-Leute beeilten sich, ein Dach über den Kopf
     zu bekommen. Beim Wegfahren fiel Jacobis Blick zufällig auf den
     eigenartigen Blumenschmuck an der Silbertanne neben dem Blockhaus. Er
     konnte die Besitzerin nicht mehr fragen, was die Rosenköpfe an den
     tropfnassen Zweigen des Nadelbaums bedeuteten, aber vielleicht ihre
     Tochter – falls sie denn wieder auftauchte.
    Das brachte ihn wieder auf
     Redl. Hatte er das Mädchen nun gefunden oder doch nicht? Sein Anruf
     war eigentlich überfällig.
    Jacobi verdrängte die
     aufkeimenden Bedenken. Redl war sein bester Mann, warum sollte er plötzlich
     von einer nicht vorhersehbaren Situation überrascht worden sein?
    Kotek kannte ihren Lebensgefährten
     zu gut, um an seiner Einsilbigkeit nicht zu merken, dass ihn etwas bedrückte.
     Außerdem fuhr er ohne Grund wie ein Henker – eine typisch
     Jacobi’sche Übersprungshandlung.
    »Du musst dir keine
     Sorgen um Lenz machen«, sagte sie deshalb. »Wenn er nicht
     anruft, wird er schon seine Gründe haben. Ich wette, er hat bereits
     Kontakt zu dem Mädchen aufgenommen und will nun sein Vertrauen
     gewinnen, anstatt Julie durch eine diensteifrige Erfolgsmeldung vor den
     Kopf zu stoßen.«
    Jacobi blickte kurz zu ihr
     hinüber. »Ich mag es nicht, wenn jemand meine Gedanken liest«,
     knurrte er.
    Kotek zog die schönen
     Augenbrauen hoch. »So? Erstens bin ich nicht irgendjemand, und
     zweitens kann ich mich an Zeiten erinnern, da hattest du es ganz gern,
     wenn ich deine Gedanken las. Aber jetzt im Ernst: Redl braucht sicher
     etwas Zeit, um dem traumatisierten Mädchen Vertrauen einzuflößen.
     Auch wenn er mit seinem George-Clooney-Grinsen zweifellos bei jedem
     Eindruck schindet und ich mir auch vorstellen kann, dass Julie bei ihm ins
     Plaudern kommt, darf er doch keinen Fehler machen. Denk an Chrissie.
     Geduld bringt Rosen.«
    »Apropos Rosen«,
     knüpfte Jacobi an dieser Stelle nachdenklich an. »Hast du die
     Rosenköpfe an der Silbertanne bei der Heinrich gesehen? Seltsam,
     oder? Passt eigentlich nicht zu dem übrigen Brimborium an den Hauswänden.«
    Sie waren inzwischen wieder
     auf der Bundesstraße in Richtung Bad Hofgastein unterwegs.
    »Was hältst du von
     folgendem Vorschlag, Oskar?«, ignorierte Kotek die Frage und kam zum
     Thema zurück. »Wir vernehmen erst einmal die alte Häuslschmied,
     und wenn sich Lenz danach noch immer nicht gemeldet hat, rufst du ihn an.
     Okay?«
    Jacobi grunzte etwas Unverständliches,
     das man gegebenenfalls als Einverständnis interpretieren konnte.

 
    19
    DER GENDARMERIEMAJOR ließ
     sich Zeit. Nach dem Telefongespräch mit Jacobi umrundete er zunächst
     die ehemalige Almhütte, die auf einer kleinen Lichtung stand. Es war
     einfach, sich in der Deckung von Bäumen und Unterholz zu halten, denn
     der Almboden war wohl schon seit Jahrzehnten nicht mehr vom Bewuchs
     befreit worden und es schüttete nach wie vor ohne Unterlass.
    Man konnte der Hütte
     ansehen, dass sich schon lange niemand mehr um die Instandhaltung gekümmert
     hatte, dabei musste sie früher ein Schmuckstück
     almwirtschaftlicher Zweckbauweise gewesen sein. Die händisch
     hergestellten Holzschindeln, nach alter Tradition mit großen Steinen
     beschwert, umrahmten zwei ins Dach integrierte Solarzellen-Paneele so
     selbstverständlich, als wäre die Fotovoltaik schon immer ein
     fixer Bestandteil von Almhüttendächern gewesen. Die balkenlosen
     Fenster an Front und Flanken der Hütte stellten dagegen keinen Tribut
     an die Moderne dar, ihr Design hatte sich über die Jahrhunderte
     hinweg nicht verändert. An der Hüttenrückseite, die zum
     Berg hin gewandt war, fehlten allerdings die kleinen Luken, sodass es nur
     eine Hintertür gab. Rechts und links davon waren lange Bloche als
     Brennholzreserve aufgeschichtet und mit Dachpappe vor

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