Dohlenflug
noch Feuersang
zweifelten die Festlegung des Pathologen auf das Schlachtmesser an.
Pernauer mochte seine Eigenheiten haben, aber auf seinem Gebiet machte ihm
niemand etwas vor. Zu bestimmen, ob ein Einstich in menschliches Gewebe
von einem Hirschfänger, einem Stilett, einem Brieföffner oder
einem ordinären Küchenmesser stammte, war für ihn eine der
leichteren Übungen.
»Diese fachkundige Art
der Hinrichtung ist symptomatisch für den Täter. Ihr werdet sie
bitte nie außer Acht lassen, wenn ihr Verdächtige favorisiert«,
merkte Jacobi dazu noch an. »Nun zu den Ergebnissen der Spusi: Sehr
trist, kann ich nur sagen. Der Täter beziehungsweise die Täterin
hat Handschuhe getragen, aber auch sonst findet sich keine fremde DNA-Spur
jüngeren Datums, die uns weiterhelfen könnte. Keine Haare, keine
Hautpartikel und schon gar kein Täterblut. Ich kann mich also der
Diagnose von Stubi und Wegener nur anschließen: Da war ein Profi am
Werk. Aber wie sagte schon der alte Dürnberger immer? An jedem Tatort
sind Spuren, nicht zuletzt die, die nicht da sind. Ach ja, die Meldung von
Hans hätt ich jetzt beinahe vergessen.«
Jacobi meinte damit
Chefinspektor Hans Weider, der nicht nur der Koordinator, also Mädchen
für alles, im Innendienst war, sondern auch der Spezialist für
Telekommunikation.
»Die Handys von Julie
Heinrich und Alfred Schleißheimer können nicht geortet werden.
Sie sind also entweder zerstört oder auf Dauer deaktiviert. Von
Julies Handy ging am Samstag um zwölf Uhr fünfzehn eine SMS an
Schleißheimers Handy und am Sonntag um vierzehn Uhr zwanzig der
Anruf an Chrissie. Jetzt aber zu den aktuellen Ereignissen: Was fällt
seit heute Nacht besonders auf?«
»Ich finde, die Spirale
der Gewalt dreht sich immer schneller«, sagte Kotek. »Sehr
viel schneller.«
Ihr Lebensmensch nickte so
eifrig, dass sich die Bewegung sogar dem Lenkrad des RS 4 mitteilte und er
leicht korrigieren musste. »Das trifft es exakt. Irgendjemand, wir
nennen ihn oder sie der Einfachheit halber wie gewohnt Q, steht gewaltig
unter Zeitdruck. Auch diesen Aspekt solltet ihr im Auge behalten. Darüber
hinaus hast du von mir keine Einmischung zu befürchten, Melanie. Ich
fahre nur mit, um mir anzuhören, was diese Frau Häuslschmied zu
sagen hat, und um dann mit meinem Schulfreund zu reden.«
»Du hältst den
Einbruch in Häuslschmieds Haus also nicht für ein zufälliges
zeitliches Zusammentreffen?«, fragte Kotek stirnrunzelnd. Das
Missfallen über Jacobis unnötige Beteuerung war ihr deutlich
anzumerken.
»Nein. Ihr Mann gehörte
ja wie zwei andere Verdächtige auch diesem Laderdinger Kreis an, außerdem
ist auf dem Anrufbeantworter von Lotte Heinrich ein Gespräch
gespeichert, das einen Zufall eher ausschließt. Der verstorbene Häuslschmied
ist meiner Meinung nach eine Schlüsselfigur in beiden Mordfällen.«
Erläuternd fügte er
hinzu: »Eben deshalb treffe ich mich ja mit meinem Schulfreund, um
sein zeitgeschichtliches Wissen ein wenig anzuzapfen. Schorsch Grahammer
hat uns damals bei den Morden im Höllkar wichtige Hinweise geliefert,
und ich habe so ein Gefühl, dass er diesmal wieder von Nutzen sein könnte.«
Kotek erinnerte sich an den
Gasteiner Lehrer, dessen Frau pikanterweise mit einer Verdächtigen
befreundet gewesen war.
»Leo bringt dich jetzt
auf den letzten Stand. Leo, bitte«, schloss Jacobi seine Ausführungen.
»Soll ich mit der
ermordeten Bachblüten-Lotte beginnen?«, fragte Feuersang.
»Nein, lieber mit dem
Einbruch bei der Häuslschmied. Und brösel mir ja nicht ins Auto!
Ich hasse Brösel.«
»Ich hab noch keine
Zeit zum Frühstücken gehabt«, entschuldigte sich Feuersang
und packte seine Schinkensemmel wieder ein. »Also«, begann er
dann in seiner behäbigen Art, »um drei Uhr morgens ging beim
Journaldienst Sankt Johann im Pongau der Notruf ein, und die
dreiundachtzigjährige Amanda Häuslschmied aus Bad Hofgastein,
Heißingfelding neunundsechzig, meldete einen Einbruch. Sie
berichtete dem Diensthabenden aufgeregt, jemand sei über die
Gartenterrassentür in ihr Haus eingebrochen. Obwohl man den dabei
ausgelösten Alarm weithin gehört habe, sei die Person bis in den
ersten Stock vorgedrungen und habe versucht, die verschlossene Tür zu
ihrem Schlafzimmer einzutreten.«
»Wenn die Schilderung
der Frau den Tatsachen entspricht, hätte sie möglicherweise das
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