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Dohlenflug

Dohlenflug

Titel: Dohlenflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Gracher
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dritte Opfer des Mörders werden sollen«, meinte Kotek. »Was
     denkst du, Oskar?«
    »Dasselbe wie du.
     Entweder wollte Q sie sofort töten oder zunächst nur entführen,
     um ihr eine Info abzupressen. Ein Telefonat, das die Häuslschmied später
     geführt hat, enthält einen diesbezüglichen Hinweis. Es war
     à la longue nicht vorgesehen, sie am Leben zu lassen, das ist
     anzunehmen. Leo, erzähl weiter.«
    »Zum Glück für
     die Häuslschmied waren dem Eindringling die Räumlichkeiten in
     ihrer Villa nicht vertraut«, fuhr Feuersang fort. »Zu spät
     bemerkte er, dass die alte Dame über eine Verbindungstür ihres
     Boudoirs ins Schlafzimmer des verstorbenen Gatten geflüchtet war, von
     dort über eine interne Wendeltreppe in den Herrensalon im Erdgeschoss
     und schließlich in die angebaute Doppelgarage. Letztere trennen zwei
     dicke Feuerschutztüren vom Haupthaus. Als Häuslschmied beide Türen
     hinter sich zugesperrt hatte, hatte sie also alle Zeit der Welt, über
     ihr Handy den Notruf abzusetzen. Zwar hatte der Einbrecher bis dahin die
     jaulende Alarmanlage ignoriert, aber nun blieb ihm nichts anderes übrig,
     als das Feld zu räumen.«
    »Ein nervenstarker Typ«,
     warf Kotek ein, »und eine ebenso abgebrühte Dreiundachtzigjährige,
     findet ihr nicht?«
    Feuersang fühlte sich
     bemüßigt, diesen Eindruck abzuschwächen. »Na ja, die
     Häuslschmied soll immerhin gezittert haben wie ein Lämmerschweif,
     als Höllteufel und die anderen Gasteiner Kollegen sie aus ihrer
     Garage kommen sahen. Andrerseits hat sie trotz ihres Schocks einen Diesel
     starten und wegfahren gehört.«
    »Sag ich ja: ganz schön
     abgebrüht«, beharrte Kotek auf ihrer Meinung. »Sie manövriert
     den Eindringling wie ein Profi aus, verschafft sich dabei Zeit für
     den Handyanruf und kann sich danach sogar noch an den Diesel erinnern.
     Wenn das mal keine Leistung für eine Dreiundachtzigjährige ist.«
    »Laut eurem gestrigen
     Bericht fahren sowohl Regenmandl als auch Marageter einen Diesel«,
     merkte Jacobi an, während er einen Porsche mit Blaulicht von der
     linken Spur scheuchte, nachdem er es mit der Lichthupe vergeblich versucht
     hatte.
    »Vielleicht hat Melanie
     mit der Abgebrühtheit doch nicht so unrecht«, sah sich
     Feuersang genötigt einzuräumen. »Nur Minuten später
     hat die Häuslschmied noch in Anwesenheit der Kollegen von der Streife
     Lotte Heinrich angerufen und –«
    »Um drei Uhr morgens?«,
     entfuhr es Kotek.
    »Allerdings. Sie wollte
     sie zur Rede stellen, konnte ihren Frust aber nur am Anrufbeantworter
     ablassen, was ihren Grimm noch erheblich steigerte. Sie war der Meinung,
     die Heinrich sei zu feig, den Anruf entgegenzunehmen.«
    Kotek blickte den im Fond
     sitzenden Feuersang nun direkt an. »Aber die war dazu schlicht und
     einfach nicht mehr in der Lage?«
    Feuersang nickte. »Um
     die Zeit war sie höchstwahrscheinlich bereits tot. Wastl wird uns später
     Näheres sagen. Die Heinrich muss ihren Mörder selbst
     reingelassen haben. Spuren gewaltsamen Eindringens wie etwa an der
     Terrassentür der Villa Häuslschmied sind nirgendwo zu entdecken.
     Dafür sieht es in Julies Zimmer, in dem die Ermordete gefunden wurde,
     ziemlich wüst aus.«
    »Warum sind die
     Kollegen überhaupt sofort zur Bachblüten-Lotte gefahren?«,
     fragte Kotek. »Es war doch mitten in der Nacht.«
    »Amanda Häuslschmied
     war felsenfest davon überzeugt, die Gespielin ihres verblichenen
     Gatten sei der Eindringling gewesen«, erklärte Feuersang.
     »Sie hat die Heinrich massiv des versuchten Mordes beschuldigt und
     von den Streifenbeamten verlangt, sie auf der Stelle mit dem Vorwurf zu
     konfrontieren. Dass die Verdächtigte trotz mehrfacher Aufforderung,
     sich zu melden, nicht ans Telefon ging, schien die Behauptung der Häuslschmied
     noch zu untermauern, und die Kollegen sahen Handlungsbedarf. Hans hat mir
     den Monolog der Häuslschmied überspielt, er war auf Lotte
     Heinrichs Anrufbeantworter gespeichert. Hör ihn dir mal an, Oskar
     kennt ihn schon.« Feuersang rief das Gespräch aus der Mailbox
     auf und reichte Kotek sein Handy.
    Zunächst hörte sie
     die automatische Ansage auf dem Anrufbeantworter Lotte Heinrichs, dann den
     Piepton und schließlich Amanda Häuslschmied: »He, Lotte,
     geh ruhig ran! Warst ja auch nicht zu feig, mir in meinem eigenen Haus auf
     den Pelz zu rücken.« Kein Zweifel. Es war die Stimme einer
     alten Frau, aber sie klang weder brüchig noch zittrig,

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