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Dohlenflug

Dohlenflug

Titel: Dohlenflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Gracher
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abgesprochen«, sagte Röck nach Süden
     deutend. »Direkt vor den alten Gewerkenhäusern.«
    Sie wandten sich zu den GIs
     um. Der Captain war mittelgroß und hager, sein Gesicht erinnerte an
     einen Habicht. Der zweite Mann war ein Afroamerikaner, dessen
     Rangabzeichen ihn als Sergeant auswiesen. Er überragte den Captain um
     Haupteslänge und hatte die Figur eines Preisringers. Die MP in seiner
     Rechten hätte er sicher nicht nötig gehabt, um im Fall des
     Falles mit den ausgemergelten »Krauts« fertigzuwerden. Beide
     GIs trugen Uniformen, aber keine Helme.
    Der Captain nickte. »Okay,
     dann holt ihn und stellt ihn da vorn neben die Laderampe. Mein Begleiter
     wird mit euch gehen.«
    Aha, bei dem, was er jetzt
     vorhat, sind Zeugen also unerwünscht, dachte Häuslschmied,
     konnte sich jedoch eine Frage nicht verkneifen. »Dort im Büro
     brennt Licht, aber ich sehe niemanden. Was ist mit dem Fahrdienstleiter?«
    »Halt die Klappe, Hans!«,
     unterbrach ihn Röck brüsk. »Es war vereinbart, keine
     überflüssigen Fragen zu stellen.«
    »Sehr vernünftig«,
     sagte der Captain. Er klang eiskalt und mindestens so abgebrüht wie Röck.
    Der Sergeant ging zwei
     Schritte hinter ihnen – mit entsicherter MP im Anschlag. Er ließ
     keine Zweifel aufkommen, dass er den Krauts nicht traute.
    Röck und Häuslschmied
     lauschten angespannt in die Nacht hinaus.
    Dann war es so weit: Durch
     das hin und her pendelnde Echo zwischen Geierwänden und
     Gamsstubenwand hörten sie den Lastenzug schon lange, ehe er
     heranrollte und in den Bahnhof einfuhr. Inzwischen waren sie fast bei dem
     alten Ford angelangt.
    Das schrille Kreischen der
     Bremsen bestätigte ihnen, dass alles nach Plan lief. Der Lokführer
     musste ein Eingeweihter sein, sonst hätte der Transport kaum an
     dieser Wald- und Wiesenstation gehalten.
    Röck und Häuslschmied
     blieben einige Schritte vor dem Lastwagen stehen, während der
     Sergeant das Fahrzeug peinlich genau nach versteckten Waffen untersuchte.
     Erst als er sicher sein konnte, keine bösen Überraschungen zu
     erleben, ließ er die beiden einsteigen.
    Röck setzte sich ans
     Volant, Häuslschmied in die Mitte und der Sergeant an seine Seite.
     Die Mündung der MP zeigte auf Häuslschmieds rechte Niere.
    Als Röck den Anlasser
     und den Handgashebel betätigte, fiel ein Schuss. Wieder zeigte er
     sich nicht überrascht. Der Sergeant musterte ihn argwöhnisch.
     »Let’s go! To the loading ramp!«
    Der Captain klappte die
     Heckplanke der Ladefläche herunter und wies Röck ein, der den
     Ford im Standgasmodus rücklings auf die Laderampe an einen bestimmten
     Waggon heranfuhr.
    »Stopp!«
    Röck stellte den Motor
     ab.
    »Aussteigen und an die
     Arbeit.« Der Captain nahm dem Sergeant die MP ab.
    Die eiserne Schiebetür
     an der Flanke des Waggons stand einen Spaltbreit offen, sodass Licht
     herausdrang. Ein Mann konnte durch die Öffnung bequem aus- und
     einsteigen, zudem befanden sich die Ladefläche des Lastwagens und der
     Boden des Waggons annähernd auf gleicher Höhe.
    Häuslschmied kletterte
     hinter dem Sergeant auf der eisernen Leiter bis zur Waggonschiebetür.
     Seine Nackenhaare sträubten sich. Im vorderen Drittel des Wagens
     lagen drei Leichen auf dem rauen Bretterboden. Drei Männer in Zivil,
     zwei davon neben einem Tisch, an dem sie noch vor Minuten eine Brotzeit
     eingenommen hatten. Über ihnen baumelte eine nackte Glühlampe.
     Die dritte Leiche lag grotesk verrenkt neben der Schiebetür,
     offensichtlich hatte der Captain das lästige Hindernis beim
     Einsteigen mit dem Fuß notdürftig zur Seite geschoben.
    Alle drei Männer waren
     erschossen worden. Kopfschuss aus nächster Nähe. Nach sechs
     Kriegsjahren stachen Häuslschmied ihre gepflegten Anzüge ins
     Auge. Vermutlich Geschäftsleute oder höhere Beamte, vielleicht
     aber auch Politruks oder Geheimdienstler.
    Der hintere Teil des Waggons
     war bis auf Achselhöhe mit unverdächtigen Heraklith-Platten
     beladen.
    Häuslschmied war von Röck
     nicht im Detail über das Unternehmen informiert worden. Bisher hatte
     er nur gewusst, dass ein Goldtransport aus Györ in Ungarn, als
     stinknormaler Baumaterialtransport getarnt, vor der Nase der Russen in die
     US-Zone nach Salzburg und von dort nach Rosenheim unterwegs war. Wie der
     Captain, dessen Namen sie nicht kannten, es geschafft hatte, den Zug im
     Bahnknotenpunkt Bischofshofen nach Gastein umzuleiten, entzog sich seiner
     Kenntnis. Wahrscheinlich war

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