Dohlenflug
die Wirkung umzukehren. Ich denke, ich sollte schlafen gehen.«
Und kryptisch fügte sie hinzu: »Heute können wir das ja
noch unbesorgt tun. Wer weiß, wofür es gut ist, richtig
ausgeschlafen zu sein.«
32
NOCH IMMER schneite es
gleichbleibend stark. Kotek wollte kein Risiko eingehen: Sie fuhr langsam,
der Fahrbahnbeschaffenheit angemessen, und erhöhte auch in den
schneefreien Tunneln und Kolonnaden die Geschwindigkeit wegen möglicher
Glatteisgefahr nicht. Ohne nennenswerte Schwierigkeiten erreichte sie so
die Ortschaft Böckstein.
Am Ortseingang, auf der
andern Seite der Achenbrücke, parkte ein mausgrauer A4. Kurz blitzten
seine Scheinwerfer auf, als Kotek an der Brücke vorbeifuhr.
»Vielen Dank, Jungs,
ihr tut mir wirklich einen Riesengefallen«, richtete sie Feuersang
per Handy aus. Die Verbindung funktionierte jetzt wieder tadellos.
»Riesengefallen? Was du
mit uns abziehst, ist reine Erpressung«, antwortete Feuersang
prompt. »Redl ist noch auf dem Weg hierher und nicht sehr amused. Er
sagt, er kommt sich vor wie ein ständig hin und her sausendes
Weberschiffchen: eben noch in der Ettenau und im Referat – jetzt
schon wieder zurück nach Gastein. Und Marianne ist ebenfalls
stocksauer, weil er schon wieder Überstunden macht. Du bist doch
Major und schiebst Nachtdienst wie ein Gruppeninspektor, schimpft sie.«
»Ich lade euch alle nächste
Woche zum ›Döllerer‹ ein, passt das?«
»Das ist ein Wort, und
glaub ja nicht, dass du da billig wegkommst.«
Ab der Postauto-Haltestelle
am Ortsausgang schnürte der RS 4 wie auf Schienen auf der zwar
verschneiten, aber relativ ebenen Bundesstraße dahin, sodass Kotek
die nächste Kurzwahl aufrufen konnte. In der Zentrale des Referats
112 im LGK Salzburg wurde sofort abgehoben.
»Melanie, endlich!«,
meldete sich Hans Weider. »Wir dachten schon … Nein,
eigentlich dachten wir gar nichts, wir sind nur froh, dich zu hören.«
»Verstehe, aber im
Moment ist alles in Ordnung, das ZSP steht. Mein Handy hat nur eine Zeit
lang keine Relaisstation gefunden. Und jetzt möchte ich von euch hören,
dass ihr vorangekommen seid. Was sagen die Kollegen vom Posten Hofgastein?
Haben sie Marageter schon aufgestöbert oder wenigstens eine Spur von
ihm entdeckt?«
»Weder noch. Er scheint
sich in Luft aufgelöst zu haben. Auch die Haussuchungen haben keine
neuen Erkenntnisse gebracht – weder in seiner privaten Bleibe noch
in seiner Hotelwohnung noch in den von ihm gepachteten alten Bettenburgen.
Leo und Max fahren morgen in aller Herrgottsfrühe wieder hinein.«
Kotek verzichtete darauf, ihn
aufzuklären, dass Leo Feuersang ebenso wie Redl bereits wieder
Gasteiner Luft schnupperte.
»Sie haben am
Nachmittag das ganze Tal abgesucht«, fuhr Weider fort, »und
allen möglichen Leuten die Daumenschrauben angesetzt – umsonst.
Ich bin mit meinem Latein genauso am Ende wie sie. Nach Durchsicht aller
verfügbaren Unterlagen konnte ich ihnen nicht einen heißen Tipp
geben.«
»Du meinst, keinen so
stichhaltigen, wie ihn Lenz von dir erhalten hat?«
»Du sagst es –
abgesehen von der Tatsache, dass wir Regenmandl nach wie vor nicht
gefunden haben. Apropos Regenmandl: Seine Geliebte – und nein, ich
meine nicht die Simcits, sondern Salma Schleißheimer – ist
ebenfalls verschwunden.«
»Was! Seit wann denn
das?«
»Nun, etwa seit einer
Stunde. Erst hat sie noch ihre Tochter Christine mit ihrem VW Polo zur Oma
Thame in die Bürgerberg-Siedlung gebracht – der RAV4 ihres
Mannes ist ja noch nicht freigegeben –, dann ist sie ohne Angabe
eines Reiseziels einfach davongefahren.«
»Das sind ja
Nachrichten wie Zahnweh. Wohin die sich verdrückt haben könnte,
dazu fällt mir im Augenblick wirklich nichts ein, aber ich hätte
eine Idee, wie wir Marageter vielleicht finden.«
»Die da lautet?«
»Sie ist noch nicht
ganz spruchreif, ich werde erst mal Leo anrufen. Was anderes: Konntet ihr
irgendwelche brauchbare Daten auf Regenmandls Laptop restaurieren?«
»Wir konnten etwas viel
Besseres, Liebling.«
»Hans, wie oft hab ich
dir schon klarzumachen versucht, dass ich nicht dein Liebling bin, sondern
bestenfalls und bei günstigem Wind der Liebling deines Freundes
Oskar, der zufällig auch der Patenonkel deiner Kinder ist.«
»Okay, du herber Zahn,
ich werd’s mir von jetzt an merken. Also: Nach Redls Anruf hab ich
noch
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