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Dohlenflug

Dohlenflug

Titel: Dohlenflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Gracher
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sich der Kassier an der Mautstelle
     als Leck in ihrem Zeugenschutzprogramm und Plaudertasche erweisen sollte.
    Kotek hatte nicht vor, sich länger
     als nötig im Landhaus ihres Cousins aufzuhalten, sie wollte wieder
     hinaus nach Böckstein, solange die Gasteiner Alpenstraße noch
     einigermaßen befahrbar war.
    Und wenn es tagelang
     weiterschneite? Umso besser! Waren die zwei Frauen erst einmal
     eingeschneit, würde das den Mörder – vorausgesetzt, er
     wusste über den Aufenthaltsort der Häuslschmied Bescheid –
     zwar nicht unbedingt vom Naßfeld fernhalten, aber seine Möglichkeiten
     verringern, während das Wetter die Chance seiner Ortung erhöhte.
    Kotek wusste, es war eine
     Milchmädchenrechnung, die sie da anstellte, aber gleichzeitig erregte
     sie die Vorstellung, mit dem Serientäter in einen makabren Wettstreit
     zu treten, auf seltsame Weise. Jacobi hatte ihr Jagdfieber attestiert
     – nicht zu Unrecht.
    Während der Fahrt
     strahlten die Scheinwerfer zufällig die Viehauser-Almhütte an.
     Sie wirkte verschlossen und winterfest – wie es vermutlich die
     meisten Naßfelder Hütten um diese Zeit waren. Durch die kleine
     Ablenkung hätte Kotek beinahe die Rechtskurve hinauf zum
     Ostermeyer-Landhaus übersehen.
    Dann endlich hatte sie nach
     der anschließenden kurzen Steigung das Ziel erreicht. Sie wendete
     den Quattro auf einem leicht abschüssigen kleinen Plateau oberhalb
     des Landhauses und zweier verfallener Gewerkschaftsgebäude und parkte
     ihn in Falllinie vor der Gittertür in der steingemauerten
     Gartenumfriedung.
    Der massive Dachgiebel war
     tatsächlich nicht höher als die aufgeschüttete Erdrampe
     dahinter. Als Ersatz für das wegrasierte Obergeschoss hatte man vom
     Beschauer aus rechts einen flachen, barackenähnlichen Seitentrakt
     angebaut, in dem sich nun zwei Schlafzimmer befanden.
    »Ich denke, wir tragen
     zunächst das Gepäck und die Lebensmittel ins Haus«, schlug
     Kotek vor. »Danach zeig ich euch die Räumlichkeiten, wir
     kontrollieren Wasser, Strom und die Gasflaschen und versuchen dann ein
     Feuer im Ofen zu machen. Wenn alles verstaut ist, keine Fragen mehr offen
     sind und ihr es euch gemütlich gemacht habt, werde ich wieder fahren.
     Hoffentlich schaffe ich es noch bis ins Tal und anschließend hinaus
     nach Salzburg. Ach ja, und vielleicht sollten wir vorher auch noch den
     Handyempfang überprüfen.«
    Vom schmalen Flur in der
     Mitte des eingeschossigen Hauses aus führte links eine Tür in
     eine Wohnküche im Stil der fünfziger Jahre mit gusseisernem Herd
     und rustikalen Möbeln aus Lärchenholz. Typisch für diese
     Zeit: die Anrichte mit den Eisenbeschlägen, die Kredenz mit den
     Butzenscheibenfenstern, die sehr einfach ausgeführte Sitzecke mit
     Herrgottswinkel und das bequem aussehende Kanapee.
    Durch die rechte Tür
     gelangte man in eine gemütliche Bauernstube. Unter den beiden
     Frontfenstern standen jeweils eine bemalte Gewandtruhe und ein weiteres
     Sofa. Vor der hinteren Wand ragte ein Specksteinofen mit gemauertem Kamin
     tief in die Mitte des Wohnzimmers hinein, und zwischen der Tür zum
     Flur und dem Ofen schmiegte sich eine üppig gepolsterte Sitzecke in
     den verbleibenden Raum, während ein mächtiger Bauernkasten den
     Platz zwischen Ofen und rechter Seitenwand vollkommen ausfüllte. Nur
     wenige Zentimeter davor führte die zweite Stubentür zu den
     beiden Schlafzimmern im Anbau.
    Zuletzt gab es noch zwei
     hintere Räume zur Erdrampe hinaus, die als Speicher für alles Mögliche
     gedacht waren, hauptsächlich aber für Gerätschaften und zur
     Speisenaufbewahrung, genauso wie auch der aus den Felsen geschlagene
     niedrige Keller Stauzwecken diente.

 
    29
    HOHENAUER SAH den sich
     entfernenden Scheinwerferlichtkegeln durchs Fenster der warmen Stube nach,
     bis sie vom Schneetreiben verschluckt wurden, bevor sie noch einmal
     probierte, Oberst Jacobi auf dem Handy zu erreichen. Nach etlichen
     vergeblichen Versuchen gab sie schließlich auf – wie schon
     Melanie Kotek ein paar Minuten zuvor.
    »Na ja, bei diesem
     Wetter …«, murmelte die junge Gasteinerin achselzuckend.
    »Ich muss wirklich
     plemplem gewesen sein, als ich mich zu diesem … äh …
     Abenteuer hab überreden lassen«, sagte die alte Frau hinter
     ihr. Amanda Häuslschmied saß an der Stirnseite des massiven
     Eichentisches neben der Stubentür und nestelte nervös an ihrer
     Handtasche herum.
    Ihre Großnichte verließ
     den Fensterplatz und ging in

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