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Dohlenflug

Dohlenflug

Titel: Dohlenflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Gracher
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die Küche hinüber, um ein kaltes
     Abendbrot herzurichten. Dabei ließ sie im Geist noch einmal alle
     vorhandenen Öffnungen Revue passieren, durch die ein Mensch ins
     Innere des Landhauses gelangen könnte. Kotek hatte sie wiederholt auf
     alle denkbaren Eventualitäten hingewiesen.
    »O nein, Mandi-Tant, du
     bist nicht plemplem«, widersprach sie, als sie mit Holztellern und
     Besteck zurückkam. »Im Gegenteil! Du weißt sehr genau,
     dass wir das Richtige getan haben. Der Mörder kann verdammt gut mit
     dem Messer umgehen, das hat er schon zwei Mal auf grausige Weise
     demonstriert. Liegt da der Verdacht nicht nahe, dass er auch andere Waffen
     handhaben kann? Außerdem ist er schon in dein Haus eingebrochen,
     eine weitere Attacke kann jederzeit folgen – auch aus der Ferne. Dem
     mussten wir einfach Rechnung tragen. In deiner Villa warst du nicht mehr
     sicher.«
    Häuslschmied warf den
     Kopf in den Nacken und lachte ärgerlich auf. »Tja, die Kotek,
     diese Schnepfe, hat dich anscheinend mächtig beeindruckt, oder wie
     sonst soll ich mir erklären, dass du ihr nach dem Mund redest?
     Glaubst du etwa im Ernst, der Killer – möglicherweise auch die
     Killerin – würde mich mit einer Fernwaffe wegputzen, ohne
     vorher von mir das erfahren zu haben, was auch der Anlass für die
     zwei bisherigen Morde war?«
    Tina Hohenauer blickte die
     Großtante verblüfft an und öffnete schon den Mund zur
     Entgegnung, überlegte es sich dann aber doch anders und ging zurück
     in die Küche, aus der das durchdringende Pfeifen eines Teekessels zu
     hören war.
    Häuslschmied legte den
     Verzicht auf eine Erwiderung durchaus nicht falsch aus. »Du hast
     deine Meinung, was meinen Geisteszustand betrifft, also doch geändert,
     was?«, rief sie der jungen Frau hinterher.
    »Ehrlich gesagt, ich
     weiß wirklich nicht, was ich von dieser Äußerung halten
     soll!«, rief Hohenauer zurück, während sie in der Küche
     hantierte. »Die Kotek hat mir nur gesagt, dass du Zeugenschutz
     erhalten sollst, und mich gefragt, ob ich ihr dabei behilflich sein könne.
     Hintergründe bräuchte ich nicht zu wissen, so würde ich später
     auch nicht der Indiskretion verdächtigt werden können.«
    Sie kam mit dem Tee und einer
     kalten Platte zurück. »No na! Natürlich hab ich Ja gesagt«,
     setzte sie fort. »Erstens ist so eine Aufgabe eine Auszeichnung für
     mich, die später auch in meiner Personalakte aufscheint, und zweitens
     bist du ja nicht nur irgendeine entfernte Verwandte für mich, wir
     stehen uns doch nahe – oder etwa nicht?«
    Der Blick aus den Falkenaugen
     wurde einen Moment lang weich, und auch das sonst ständig wache
     Misstrauen darin war vorübergehend verschwunden. »Meinst du das
     ernst, Tini?«
    »Was?«
    »Dass wir uns
     nahestehen?« Häuslschmied vermied es, die Jüngere bei der
     Frage anzusehen und griff stattdessen nach dem Besteck.
    »Aber natürlich,
     Mandi-Tant, das weißt du doch. Wir verstehen uns und freuen uns,
     wenn wir uns sehen, da spielt es auch keine Rolle, dass wir altersmäßig
     Jahrzehnte auseinander sind.«
    Tina Hohenauer ging noch
     einmal in die Küche und holte den Toast. Sie hatte ihn nur schwach
     geröstet, um der Großtante eine möglichst seniorengerechte
     Mahlzeit zu servieren.
    Während des Essens
     verzichtete Häuslschmied auf Konversation, aber ihrer bewegten Miene
     konnte die Gendarmerieschülerin unschwer entnehmen, dass etwas in ihr
     rumorte.
    Als sie fertig gegessen
     hatten und bis auf die Teetassen alles abgeräumt war, brach die
     Greisin ihr Schweigen.
    »Sei nicht zu sparsam
     mit dem Vogelbeer im Tee, Tini. Ich möchte dir einiges erzählen,
     aber dazu muss ich vorher noch meine Zunge ein bisschen lockern, du
     verstehst?«
    Hohenauer erhob sich sofort,
     holte eine Flasche Vogelbeerschnaps aus der Küche und schenkte ihrer
     Großtante nicht zu knapp ein.
    »Was ich dir jetzt
     berichte, Kind, muss unbedingt unter uns bleiben«, begann Häuslschmied,
     aber Hohenauer schüttelte gleich den Kopf.
    »Das kann ich nur
     versprechen, wenn es nichts mit den beiden Morden zu tun hat, Tante.«
    »Wenigstens bist du
     ehrlich. Ich glaube, meine Geschichte hat sehr wohl mit diesen Gräueltaten
     zu tun, und genau deshalb möchte ich sie dir erzählen. Aber nur
     dir. Was du damit machst, ist deine Sache. Also, hör zu. Vor fast
     sechzig Jahren, nur ein paar Tage nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs,
     hat sich hier ganz in der Nähe im Anlauftal

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