Dohlenflug
neben dem ausgetauschten Lokführer auch
jener Transportbegleiter, dessen Leiche jetzt neben der Waggontür
lag, ein Komplize gewesen. Er musste seine zwei ahnungslosen Kollegen auf
der Strecke Schwarzach-Böckstein in einem der vier Tunnel erschossen
haben und war nun seinerseits vom Captain getötet worden, als er in Böckstein
die Schiebetür von innen geöffnet hatte.
Häuslschmied gab sich
keinen Illusionen hin. Der Captain ließ nur Leute leben, die er noch
brauchte, etwa den Sergeanten und den Lokführer. Der Zug musste
schließlich noch nach Kärnten weiterfahren – in den
englischen Sektor, um Verwirrung zu stiften und die Spuren zu verwischen.
Er, Häuslschmied, und sein Kamerad Röck waren im Moment noch
relativ ungefährdet, brenzlig würde es für sie dann werden,
wenn das Gold sicher im Versteck lag und sie, die Krauts, nicht mehr benötigt
wurden.
»Wir bringen dem Lokführer
drei Barren, damit uns der Bursche nicht nervös wird«, ordnete
der Captain jetzt an, als hätte er die Gedanken Häuslschmieds
gelesen.
Der Sergeant zog die beiden
Leichen zur Stirnseite des Waggons und begann dann die vordersten
Heraklith-Platten abzutragen und zur Seite zu stellen. Sein unmissverständlicher
Wink mit dem Kinn machte Häuslschmied und Röck Beine.
Schleunigst beteiligten sie sich an der Arbeit.
Nachdem die ersten beiden
Lagen Platten entfernt worden waren, kam eine Persenning zum Vorschein.
Erst nach einem Nicken des Captains schlug der Sergeant sie zurück.
Den Männern wurden die
Knie weich. Ein Stapel Goldbarren, das Stück zu zwölf Kilogramm
und fünfzig Gramm, leuchtete ihnen entgegen. Hundert verwaiste
Goldbarren in einem einsamen Dorfbahnhof in den Hohen Tauern! So etwas war
auch nur nach dem Chaos des Weltkriegs möglich.
»Hurry up! Träumen
könnt ihr später noch.« Die Stimme des Captains holte sie
in die Wirklichkeit zurück. Der Sergeant und die beiden ehemaligen
SS-Angehörigen griffen sich jeweils einen Barren – und waren
beeindruckt von seinem Gewicht. Bis zur Lokomotive des Lastenzugs war es
ziemlich weit, denn der Goldwaggon war der drittletzte des Zuges.
Als der Lokführer auf
dem Führerstand die drei Barren vor sich sah, wichen Angst und
Misstrauen in seinem Ausdruck augenblicklich der Gier.
»Wie viel sind die
wert?«, wollte er wissen. Sein weicher Dialekt verriet seine Kärntner
Herkunft.
»Sehr viel, wenn du
vorsichtig bist und ein paar Jahre Geduld hast«, sagte der Captain,
der ihn richtig eingeschätzt hatte.
Der Eisenbahner wagte nicht
mehr, nach dem Gesamtumfang der Beute zu fragen, er hatte den Schuss zuvor
richtig gedeutet.
»Wie lange werdet ihr
zum Umladen brauchen?«, wollte er nun beiläufig wissen.
»Etwa eine
Viertelstunde. So viel ist es nicht. Wir werden uns beeilen. Wenn ich
pfeife, kannst du fahren.«
Der Lokführer hatte die
Aufgabe, den Zug vor dem Stellwerk des Bahnhofs Spittal in Oberkärnten
abzustellen und dann ungesehen zu verduften. Sie trennten sich grußlos.
Man hatte nicht vor, sich in diesem Leben noch einmal wiederzusehen.
Die Plackerei des Umladens
war schweißtreibender, als die zwei Gasteiner befürchtet
hatten. Jeder von ihnen, auch der Sergeant, hatte pro Weg zwei Barren zu
schleppen, während der Captain die Aktion vom Bahnsteig aus überwachte.
Die ersten vierzig hatten sie
relativ rasch auf die Ladefläche des Ford hinübergeschafft, aber
dann wurde das Gold – so Glück verheißend es auch sein
mochte – schwerer und schwerer.
»Ich … ich muss
mal austreten«, japste Röck schließlich.
»Sag doch gleich, dass
du dich ausruhen willst, du Schwächling«, knurrte der Captain
ungehalten, deutete aber mit der MP zustimmend zur Seite. »Aber mach
schnell, sonst wird der Lokführer doch noch nervös.«
Röck sprang von der
Ladefläche des Ford und ging zu dem Strommasten hinüber, der
sich unmittelbar neben der Bahnstation befand. Das Geräusch des
Urinierens war bis in den Waggon zu hören.
»He, Sergeant!«,
rief Häuslschmied. »Kann ich auch einen Augenblick
verschnaufen?«
Der Sergeant war gerade im
Begriff gewesen, mit zwei Barren vom Waggon auf den Lastwagen hinüberzusteigen.
Er hielt inne und blickte über die Schulter zurück in den
Waggon. Der Captain wäre kein Mensch gewesen, hätte er nicht in
dieselbe Richtung geblickt.
Der erste Schuss traf den
Sergeant in den Hals,
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