Doktor auf Draht
Gaston, Basils Scheidung ist noch nicht durchgeführt. Das ist einer der Gründe, weshalb ich nach New York flog. Der liebe Basil wurde natürlich durch seinen neuesten Film hier zurückgehalten.«
»Ja, ich hörte, daß du ausgeschifft — getrennt worden bist«, sagte ich zu ihm.
Vor seinen ruhmreichen Tagen war Basil in der Stellung eines Gatten — für welche damals zufälligerweise eine Vakanz herrschte — in den Haushalt einer schrecklich reichen Amerikanerin aufgenommen worden; freilich, glaube ich, entdeckte er später zu seiner Erleichterung, daß es sich nur um einen vorübergehenden Job in Verbindung mit ihrer Vergnügungsreise nach London handelte.
»Im Wagen mußt du mir alles über die Verhandlungen mit diesen öden Anwälten erzählen, meine Süße«, sagte Basil, sichtlich darauf erpicht, Lucy anderswohin zu entführen.
»Selbstverständlich, Liebling. Basil bringt mich zur Kostümprobe einer Wohltätigkeitsveranstaltung, die wir schon vor Monaten organisiert haben, und ich bin schon riesig aufgeregt.« Lucy nahm ihre Tasche und Handschuhe an sich. »Es gibt doch nichts Faszinierenderes als die Bühne, nicht wahr?«
»Komm, Engelchen«, drängte Basil sie mit einem Blick auf mich. »Diese armen Schauspieler werden ohne mich aufgeschmissen sein, weißt du. Erinnere mich gelegentlich, Jungchen, daß ich dir ein paar Freikarten schicke, ja?«
Sie ließen mich bei Squiffy zurück, der noch aß.
»Grim, Alter«, begann Squiffy.
Ich reagierte nicht. Das Gespräch hatte in mir eine Welle der Übelkeit erregt, die von Squiffys Eßgeräuü-schen noch verstärkt wurde.
»Grim, Alter«, begann Squiffy neuerlich würgend, was darauf hindeutete, daß er mir etwas Dringendes sagen wollte. »Ich muß dir etwas ziemlich Zerschmetterndes mitteilen.«
»Ja?« Ich fragte mich, was Lucy hinter ihre Ohren tat, daß sie so gut duftete.
»Aber es ist absolut geheimzuhalten.«
»Schon wieder?«
»Diesmal ist’s ein richtiges Geheimnis.« Squiffy scharrte die Krumen zusammen. »Ich muß einfach jemandem mein Herz ausschütten, und ich weiß, daß ich dir vertrauen kann, Grim. Erinnerst du dich, wie du auf der Schule den Mund gehalten hast, als ich bei der Teeparty des Schuldirektors die Haarcreme-Sandwiches einschmuggelte? Außerdem müssen Ärzte verschwiegen sein, nicht wahr, sonst werden sie von den Oberbonzen zur Verantwortung gezogen? Ich fürchte, das, was jetzt kommt, wird ein Schock für dich sein«, fuhr er fort. »Aber — na schön, ich bin gar kein bedeutender Naturwissenschaftler.«
»Nein?«
»Ein Naturwissenschaftler bin ich schon, natürlich. Eine Art — ach, du lieber Himmel!«
Er sprang auf und begann seine Arme und Beine in alle möglichen Richtungen zu bewegen.
»Mein alter Herr ist an allem schuld«, erklärte er.
Ich goß mir eine weitere Tasse Tee ein.
»Du weißt doch, wie er ist, Grim?«
»Er schien mir als ein ziemlich schwieriger Bursche.«
Ich hatte Papa Squiffington nicht mehr gesehen, seit ich ihn im Sand von Whortleton eingrub. Freilich hatte ich oft genug an den alten Knaben gedacht, wenn ich die Zeitungen wegen der Sportrubrik durchblätterte und dabei unter der Überschrift »Aus dem Wirtschaftsleben« auf etwa folgende Notiz stieß: »Heute herrschte in der Lombard Street große Nachfrage nach Geld.« Da geht der arme alte Papa Squiffington, stellte ich mir vor, am Randstein auf und ab, schreit in die offenen Fenster hinein, hält Vorübergehende mit Zylinderhüten am Knopfloch fest, versucht den Verkehrspolizisten anzugehen und endet schließlich an einer Türschwelle, hoffnungsvoll seinen Hut ausgestreckt.
Ich vermutete, daß Squiffingtons Bank nicht eine von der gewöhnlichen Sorte war, wo man drunten am Zahltisch den Kunden das Geld abnimmt. Laut Squiffys Aussage, der oft optimistisch in den Korridoren herumgelungert hatte, manipulierte man dort überhaupt nicht mit diesem vulgären Zeug. Die Finanzgrößen - vorausgesetzt, es war ein schöner Vormittag und sie hatten am Samstag ein nettes Golfspiel hinter sich gebracht - trugen ihren Sekretärinnen einfach auf, eine Million zu überweisen.
Und wenn schon Papa Squiffington sie nicht entbündelt sah, sah Squiffy sie bestimmt überhaupt nie. Sein Vater war einer jener dürren und athletischen Wirtschaftskapitäne, deren Vorstellung von einem tollen Abend darin bestand, bei einem Glas Selterswasser und einem Stückchen Schokoladenkuchen Schach zu spielen.
»Du weißt doch, mein Alter wollte, daß ich Arzt
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