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Doktor auf Draht

Doktor auf Draht

Titel: Doktor auf Draht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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Zimmer im »Hotel Meeresrauschen« auf und ab.
    Das »Hotel Meeresrauschen« in Whortleton war, wie der Pier und die Eisenbahn, zur Erquickung unserer viktorianischen Vorfahren angelegt worden, als diese fanden, nichts sei besser als die Meeresluft geeignet, sämtliche Leiden von Bleichsucht bis galoppierende Skrofulöse zu heilen; den Armen stand, ach, nicht viel anderes zur Verfügung. Das Leben hatte sich in Whortleton hauptsächlich um die Hummertöpfe konzentriert, bevor unsere Vorfahren anfingen, in ihren Badekarren die Küste entlang zu rollen und ihrer Überzeugung Ausdruck zu verleihen, nichts sei so gesund wie der scharfe Ozongeruch — obwohl es eigentlich der Gestank verfaulenden Tangs und der örtlichen Kloake war. Die Leitung des »Hotel Meeresrauschen«, die genau die richtige Ausstattung gewählt hatte, um unseren Vorfahren zwischen ihren kurzen Bädern ein trautes Heim zu bieten, sah keinen Anlaß, sie seither zu ändern, und so enthielt unser Zimmer zwei Betten mit Messingkugeln, einen massiven Kleiderschrank, der Panzersprenggeschossen standgehalten hätte, einen gedrechselten Ständer für unsere Hüte und Schirme, ein Bild, auf dem ein Zwölfender bestürzt einen zackigen Gipfel erklomm, und eine eingerahmte Mitteilung, welche besagt, daß man selber schuld war, wenn einem während des Aufenthalts die Wertsachen geklaut wurden.
    »Tut mir leid«, brummte Miles und versetzte der Kommode einen Tritt. »Bin irgendwie überreizt, das ist das Ganze. Kannst es mir kaum übelnehmen.«
    »Durchaus verständlich«, stimmte ich ihm kameradschaftlich zu. »Laß uns hinuntergehen und nochmals nach Dolores Ausschau halten. Außerdem«, erinnerte ich mich, »müssen wir diese Sache mit den Heringen organisieren. Unser Ausflug hätte nicht den geringsten Sinn, wenn wir drei uns die Gräten drunten im Speisesaal aus den Zähnen stochern müßten.«
    »Geh du allein.« Miles griff nach seiner Aktentasche. »Ich habe noch etliches Wichtiges für eine Vorlesung vorzubereiten. Vergiß nicht, daß ich Montag vormittag wieder im St. Swithin mit der Arbeit beginne.«
    »Du könntest auch eine Art Generalprobe für deine Kompromittierung vornehmen«, schlug ich vor. »Üb dich am Hutständer.«
    Miles zog die Brauen hoch. »Man wird mich ohne Sakko überraschen. Das genügt doch, nehme ich an?«
    »Na ja — ich würde als Draufgabe noch den Kragen und die Schuhe ablegen.«
    Da Miles daraufhin nur knurrte, ging ich in die Halle hinunter und lugte zwischen den Palmen hoffnungsvoll nach Dolores aus. Kein Mensch war weit und breit zu sehen, außer einem dünnen, grauhaarigen und würdevollen Alten mit Lesebrille, der hinter einem Pult beim Eingang saß und in seinen Zähnen stocherte — wohl der Nachtportier.
    »Es kommen doch noch eine Menge Züge aus London?« fragte ich ihn leichthin beim Auf- und Abschlendern.
    »Der letzte trifft am Samstag um zehn Uhr zehn 160 e in, Sir. Freilich gibt’s dann noch den um drei Uhr früh.«
    »Oh.« Ich blickte auf meine Uhr. »Mrs. Grimsdyke wird wohl mit dem Zehn-Uhr-zehn-Zug eintreffen. Würden Sie so freundlich sein, sie in Mr. Miles Grimsdykes Zimmer, Nummer sechs, zu führen?«
    »Gewiß, Sir.«
    »Und nun das Frühstück.«
    »Ach ja richtig, Sir.«
    Der Portier schlug feierlich sein Buch auf.
    »Heringe für eine Person, für mich, auf Nummer zehn. Zwei Portionen für Mr. Miles Grimsdyke und seine verflixte — Mrs. Grimsdyke, auf Nummer sechs.«
    »Sehr wohl, Sir.«
    »Großer Gott — « Schrecken übermannte mich. »Der Kellner wird doch hoffentlich die Heringe aufs Zimmer bringen, nicht wahr? Und nicht nur vor der Zimmertür abstellen, nicht wahr? Da könnten sie doch, wenn Sie mich recht verstehen, kalt werden, nicht wahr? Und es gibt doch nichts Garstigeres als kalte Räucherheringe, nicht wahr?«
    »Wenn Sie Wert darauf legen, Sir, werde ich das Frühstück persönlich servieren.«
    »Wirklich?« Ich sah mir den Kerl genau an. »Ja, das wäre das richtige. Sie tragen wohl«, fuhr ich scharfsinnig fort, »nur zum Lesen eine Brille?«
    »Ja, Sir. Ich leide an Weitsichtigkeit, Sir.«
    »Ausgezeichnet! Auf weitere Distanz sehen Sie also gut? Und ich nehme an, Sie sind ein guter Beobachter — ich meine, in einem Hotel, wo rundum allerlei vor sich geht, müssen Sie’s sein, nicht wahr?«
    »Mein Hobby an den Nachmittagen ist Vögelbeobachtung, Sir.«
    »Das ist geradezu famos. Und Sie dürften auch ein recht scharfes Physiognomiengedächtnis haben?«
    »Das ist bei meiner

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