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Doktor Faustus

Doktor Faustus

Titel: Doktor Faustus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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nach eher niederdeutsch, ein Blondkopf, von mittlerer, netter Statur, besaß er den Schliff, die einnehmende Gewandtheit sächsischer Zivilisation und war, ebenso gutmütig wie gefallsüchtig, ein eifriger Salonbesucher, der jeden freien Abend in mindestens einer, meistens aber zwei bis drei Gesellschaften verbrachte, dem Flirt mit dem schönen Geschlecht, jungen Mädchen sowohl wie reiferen Frauen, selig hingegeben. Leo Zink und er standen auf kühlem, zuweilen häkligem Fuß, – ich habe oft bemerkt, daß die Liebenswürdigen sich untereinander wenig mögen, und daß dies ebensowohl auf männliche Eroberer wie auf schöne Frauen zutrifft. Für mein Teil hatte ich nichts gegen Schwerdtfeger, ja mochte ihn aufrichtig gern, und sein früher, tragischer Tod, der für mich noch mit besonderen, unheimlichen Schauern umkleidet war, erschütterte mich in tiefster Seele. Wie deutlich sehe ich den jungen Menschen noch vor mir mit seiner knabenhaften Manier, eine {291} Schulter in den Kleidern zurechtzurücken und dabei einen Mundwinkel kurz grimassierend nach unten zu ziehen; mit seiner weiteren naiven Gewohnheit, jemanden im Gespräch gespannt und gleichsam entrüstet anzusehen: seine stahlblauen Augen wühlten dabei förmlich in dem Gesicht des anderen, indem sie sich bald auf das eine, bald auf das andere Auge desselben einstellten, indeß seine Lippen aufgeworfen waren. Was hatte er nicht auch für gute Eigenschaften, ganz abgesehen von seinem Talent, das man in seine Liebenswürdigkeit einrechnen mochte. Freimut, Anständigkeit, Vorurteilslosigkeit, künstlerisch neidlose Gleichgültigkeit gegen Geld und Gut, kurz, eine gewisse Reinheit, die auch aus dem Blick seiner – ich wiederhole es – schön stahlblauen Augen in dem allenfalls etwas bulldoggenhaft oder möpslich gebildeten, aber jugendlich anziehenden Gesicht strahlte, waren ihm eigen. Oft musizierte er mit der Senatorin, die keine üble Pianistin war, – wobei er nun wieder jenem Knöterich ins Gehege kam, den es verlangte, sein Cello zu fegen, da doch die Gesellschaft es weit mehr auf Rudolfs Vorträge abgesehen hatte. Sein Spiel war sauber und kultiviert, nicht großen Tons, aber von süßem Wohllaut und technisch nicht wenig brillant. Selten hat man gewisse Sachen von Vivaldi, Vieuxtemps und Spohr, die c-moll-Sonate von Grieg, aber selbst auch die Kreutzer-Sonate und Stücke von César Franck untadeliger gehört. Dabei war er schlichten Sinnes, von Literatur nicht berührt, jedoch besorgt um die gute Meinung geistig hochstehender Menschen, – nicht nur aus Eitelkeit, sondern weil er ernstlich Wert auf den Umgang mit ihnen legte und sich durch ihn zu heben, zu vervollkommnen wünschte. Auf Adrian hatte er es gleich abgesehen, machte ihm den Hof, indem er geradezu die Damen darüber vernachlässigte, bat um sein Urteil, wollte von ihm begleitet sein, was aber Adrian damals stets ablehnte, zeigte sich begierig nach musikalischem und außer-musikalischem {292} Gespräch mit ihm und war – ein Zeichen ungewöhnlicher Treuherzigkeit, aber auch von unbekümmertem Verständnis und einer natürlichen Kultur – durch keine Kühle, Zurückhaltung, Fremdheit zu ernüchtern, einzuschüchtern und abzustoßen. Einmal, als Adrian wegen Kopfschmerzen und völliger gesellschaftlicher Unlust der Senatorin abgesagt hatte und auf seinem Zimmer geblieben war, erschien plötzlich Schwerdtfeger bei ihm, in seinem cut-away und seiner schwarzen Plastron-Kravatte, um ihn, angeblich im Auftrage mehrerer oder aller Gäste, zu überreden, doch zur Gesellschaft zu stoßen. Es sei so langweilig ohne ihn … Das hatte etwas Verblüffendes, denn Adrian war ja keineswegs ein belebender Gesellschafter. Auch weiß ich nicht, ob er sich damals gewinnen ließ. Allein trotz der Vermutung, daß er nur den Gegenstand abgab für ein ganz allgemeines Bedürfnis, gewinnend zu wirken, konnte er sich eines gewissen glücklichen Erstaunens über solche unverwüstliche Zutunlichkeit nicht enthalten. –
    Damit habe ich den Personenbestand des Rodde'schen Salons, lauter Erscheinungen, deren Bekanntschaft, nebst derjenigen vieler anderer Mitglieder der Münchener Gesellschaft, ich als Freisinger Professor später selber machte, ziemlich vollständig aufgeführt. Wer über ein kleines noch hinzukam, war Rüdiger Schildknapp, – er, der nach Adrians Beispiel gefunden hatte, daß man, statt in Leipzig, in München leben sollte, und dem die Entschlußkraft zuteilgeworden war, diese Ratsamkeit Tat

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