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Doktor Faustus

Doktor Faustus

Titel: Doktor Faustus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Leverkühns eigener Werkstatt. Das gesangreiche Cello, das seine vollendete Form dem Antonio Stradivari verdankt, war reihenweise vorhanden, aber auch seine Vorgängerin, die sechssaitige Viola da gamba, die in älteren Werken noch neben ihm zu Ehren kommt, war hier, wie die Bratsche und das andere Geschwister der Geige, die Viola alta, immer zu finden, wie denn auch meine eigene Viola d'amore, auf deren sieben Saiten ich mich mein Leben lang ergangen habe, aus der Parochialstraße stammt. Sie war ein Geschenk meiner Eltern zu meiner Konfirmation.
    Da lehnte, in mehreren Exemplaren, das Violone, die Riesengeige, der schwer bewegliche Kontrabaß, majestätischer Recitative fähig, dessen Pizzicato klangvoller ist als der gestimmte Paukenschlag, und dem man den verschleierten Zauber seiner Flageolett-Töne nicht zutrauen sollte. Und ebenfalls wiederholt war sein Gegenstück unter den Holz-Blasinstrumenten vorhanden, das Kontrafagott, sechzehnfüßig wie jener, das heißt: um acht Töne tiefer klingend, als seine Noten angeben, mächtig die Bässe verstärkend, gebaut in den doppelten Dimensionen seines kleineren Bruders, des scherzosen Fagotts, das ich so nenne, weil es ein Baß-Instrument ist ohne rechte Baßgewalt, eigentümlich schwächlich von Klang, meckernd, karikaturistisch. Wie hübsch war es jedoch mit seinem gewundenen Anblaserohr, blitzend im Schmuck seiner Klappen- und Hebelmechanik! Welcher reizende Anblick überhaupt, dies Heer der Schalmeien im weither entwickelten Hochstande ihrer technischen Ausbildung, den Trieb des Virtuosen auffordernd in jeder ihrer Formen: als bukolische Oboe, als Englisches Horn, das sich auf traurige Weisen versteht, als klappenreiche Klarinette, welche im tiefen Chalumeau-Register so gei {65} sterhaft düster lauten, höher hinauf aber im Silberglanz blühenden Wohlklangs erstrahlen kann, als Bassethorn und Baßklarinette.
    Sie alle, in Sammet ruhend, boten sich an in Oheim Leverkühns Fundus, dazu die Querflöte in verschiedenen Systemen und verschiedener Ausführung, aus Buchsbaum-, Grenadil- oder Ebenholz, mit elfenbeinernen Kopfstücken oder ganz aus Silber gebaut, nebst ihrer schrillen Verwandten, der Piccolo-Flöte, die im Orchester-Tutti durchdringend die Höhe zu halten und im Irrlichter-Reigen, im Feuerzauber zu tanzen weiß. Und nun erst der schimmernde Chor der Blechinstrumente von der schmucken Trompete, der man das helle Signal, das kecke Lied, die schmelzende Kantilene mit Augen ansieht, über den Liebling der Romantik, das verwickelte Ventilhorn, die schlanke und mächtige Zugposaune und das Cornet à pistons bis zu der gründenden Schwere der großen Baßtuba. Selbst museale Raritäten dieses Gebiets, etwa ein Paar schön gewundener, gleich Stierhörnern nach rechts und links gedrehter bronzener Luren, waren meistens in Leverkühns Magazin zu finden. Aber mit Knabenaugen gesehen, wie ich es heute in der Erinnerung wieder sehe, war das Lustigste, Herrlichste darin die umfassende Ausstellung von Schlagwerkzeugen, – eben weil Dinge, deren Bekanntschaft man früh unterm Weihnachtsbaum als Spielzeug und leichtes Traumgut der Kindheit gemacht hatte, sich hier in würdig-gediegenster Ausführung, erwachsenen Zwecken dienend, dem Auge darboten. Die Wirbeltrommel, wie anders sah sie hier aus, als das schnell vernützte Ding aus buntem Holz, Pergament und Bindfaden, das wir als Sechsjährige gerührt! Sie war nicht zum Umhängen gemacht. Das untere Fell mit Darmsaiten bespannt, war sie zum Orchestergebrauch in handlich schräger Stellung auf dreibeinigem Metallstativ festgeschraubt, und einladend staken die hölzernen Stöcke, auch vornehmer als die unseren, in seit {66} lichen Ringen. Da war das Glockenspiel, auf dessen kindlicher Form wir wohl »Kommt ein Vogel geflogen« uns zu schlagen geübt hatten: hier reihten sich in elegantem Verschluß-Kasten, in doppelter Folge und frei zum Schwingen auf Querleisten liegend, die peinlich abgestimmten Metallplatten, zu deren melodischem Anschlag zierlichste Stahlhämmerchen, verwahrt im gefütterten Deckel-Innern, bestimmt waren. Das Xylophon, das gemacht scheint, dem Ohre den Friedhofstanz von Gerippen in mitternächtlicher Freistunde einzubilden, hier war es in vielstäbiger Chromatik. Der beschlagene Riesenzylinder der großen Trommel war da, deren Fell ein filzgepolsterter Klöppel erdröhnen läßt, und die kupferne Kesselpauke, von der noch Berlioz sechzehn Stück in seinem Orchester aufbaute, daß sie seiner Harmonik

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