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Doktor Faustus

Doktor Faustus

Titel: Doktor Faustus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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gerecht würde, – er kannte sie nicht, wie Nikolaus Leverkühn sie führte, als Maschinenpauke, die der Ausübende leicht mit einem Griffe der Hand dem Tonartenwechsel sich anpassen läßt. Wie weiß ich noch den Bubenunfug, den wir versuchend damit anstellten, indem wir, Adrian oder ich – nein, nur ich war es wohl – die Klöppel auf dem Fell wirbeln ließen, während der gute Luca die Stimmung auf- oder abwärts verstellte, so daß das sonderbarste Glissando, ein Gleitgepolter sich ergab! – Auch die so merkwürdigen Becken nehme man noch hinzu, die nur Chinesen und Türken zu verfertigen verstehen, weil sie das Geheimnis hüten, wie man glühende Bronze hämmert, und deren Innenflächen der Handhabende nach dem Schlage hoch im Triumphe gegen das Auditorium hält; das dröhnende Tamtam, das zigeunerische Tamburin, den unterm Stahlstab hell aufklingenden Triangel mit seinem offenen Winkel; die Zymbeln von heute, die gehöhlten, in der Hand knackenden Castagnetten. Man sehe all diese ernsthafte Lustbarkeit überragt von der goldenen Pracht-Architektur der Erardschen Pedalharfe, und man wird die magische Anziehungskraft begreifen, die des Oheims Handels {67} räume, dies Paradies schweigenden, aber in hundert Formen sich ankündigenden Wohllauts auf uns Knaben ausübte.
    Auf uns? Nein, ich tue besser, nur von mir zu sprechen, meiner Verzauberung, meinem Genuß, – ich wage kaum, meinen Freund miteinzubeziehen, wenn ich von solchen Empfindungen rede, denn, mochte er nun den Haussohn herauskehren, dem das alles gewohnte Alltäglichkeit war, oder mochte die allgemeine Kühle seines Charakters sich darin ausdrücken: er bewahrte einen fast achselzuckenden Gleichmut vor all der Herrlichkeit und beantwortete meine bewundernden Exklamationen meist nur mit einem kurzen Lachen und einem »Ja, hübsch« oder »Drolliges Zeug« oder »Was die Menschen sich ausdenken« oder »Netter das zu verkaufen, als Zuckerhüte«. Zuweilen, wenn wir von seiner Mansarde, die eine anziehende Aussicht über das Dachgeschiebe der Stadt, den Schloßteich, den alten Wasserturm bot, auf meinen Wunsch – ich betone: immer auf meinen – zu einigem, nicht gerade unerlaubten Aufenthalt ins Magazin hinabstiegen, gesellte der junge Cimabue sich uns zu, teils, wie ich vermute, um uns zu beaufsichtigen, teils um in seiner angenehmen Art den Cicerone, den Führer und Erklärer zu machen. Von ihm vernahmen wir die Geschichte der Trompete: wie man sie einst aus mehreren geraden Metallröhren mit Kugelverbindung habe zusammensetzen müssen, ehe man die Kunst erlernt habe, Messingrohre zu biegen, ohne daß sie zerrissen, nämlich indem man sie anfangs mit Pech und Kolofonium, später aber mit Blei ausgoß, das dann im Feuer wieder herausgeschmolzen wurde. Auch mochte er etwa die Behauptung der Wohlweisen erörtern, es sei ganz gleichgültig, aus welchem Material, ob aus Metall oder Holz, ein Instrument hergestellt sei, es klinge, wie es seiner Formgattung, seiner Mensur nach klinge, und ob eine Flöte aus Holz oder Elfenbein, eine Trompete aus Messing oder Silber gebaut sei, mache nichts aus. Sein Meister, sagte er, Adrians zio, der {68} sich als Geigenmacher auf die Bedeutung des Stoffes, der Holzart, des Lackes verstehe, bestreite das und mache sich anheischig, es einer Flöte sehr wohl abzuhören, woraus sie gemacht sei – er, Luca, erbiete sich übrigens auch dazu. Dann zeigte er uns wohl mit seinen kleinen, wohlgeformten Italienerhänden den Mechanismus der Flöte, der in den letzten 150 Jahren, seit dem berühmten virtuoso Quantz, so große Veränderungen und Verbesserungen erfahren: denjenigen der Böhm'schen Zylinderflöte sowohl, die mächtiger, wie denjenigen der alten konischen, die süßer lautet. Er wies uns die Applikatur der Klarinette, des siebengelöcherten Fagotts mit seinen zwölf geschlossenen und vier offenen Klappen, dessen Klang so leicht mit dem der Hörner verschmilzt, belehrte uns über den Tonumfang der Instrumente, ihre Handhabung und dergleichen mehr.
    Nun kann nachträglich kein Zweifel sein, daß Adrian den Demonstrationen von damals, ob er sich dessen nun bewußt war, oder nicht, mit mindestens so viel Aufmerksamkeit folgte, wie ich, – und mit mehr Nutzen, als mir je daraus zu ziehen gegeben war. Aber er ließ sich nichts merken, und keine Regung deutete auf ein Gefühl dafür, daß ihn dies alles etwas angehe oder je etwas angehen werde. Fragen an Luca zu richten, überließ er mir, ja, er ging wohl

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