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Doktor im Glück

Doktor im Glück

Titel: Doktor im Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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also Carboy und Plover nicht ihre Förderung angedeihen lassen konnten, verpfändete ich die eine Zigarettendose, erstand eine Schreibmaschine zweiter Hand sowie Rogets Thesaurus und machte mich an die Arbeit.
    Das Medizinstudium ist ein ausgezeichnetes Training für den schriftstellerischen Beruf. Bei beiden Beschäftigungen muß man stundenlang an Schreibtischen sitzen, wenn man noch so gerne ins Wirtshaus möchte, und praktisch von nichts leben. Ich muß allerdings zugeben, daß ich diese Fertigkeit erst sehr spät in meinem Studiengang entwickelte. Onkelchen wurde noch knausriger mit seinen Zuwendungen, als er eines Abends zu einem Überrumplungsbesuch in meiner neuen Bude auftauchte und auf seine Frage: «Wohnt hier ein Mr. Grimsdyke?» von der Vermieterin die Antwort erhielt: «Jawohl, Sir, tragen Sie ihn nur herein und geben Sie auf der Schwelle acht, daß seinem armen Schädel nichts passiert.»
    Ich machte auch die Entdeckung, daß das Bücherschreiben, genauso wie das Entfernen eines Appendix, viel leichter aussieht — wenn das fertige Produkt vorliegt —, als es ist. Ein Buch über das Spitalsleben zu schreiben hat den Haken, daß jeder sich vorstellt, die dortige Atmosphäre gleiche dem Endkampf bei einem Sechstagerennen, wohingegen ein Operationssaal in Wirklichkeit ein ruhiger und angenehmer Ort ist, wie eine gutgeführte Garage. Zudem hält das Publikum alle Chirurgen für anziehende Männer mit hohen Prinzipien, obgleich die meisten von ihnen klein und dick sind, alte Pyjamas unter ihren Operationskitteln auftragen und hauptsächlich darauf erpicht sind, den nächsten Leistenbruch so rasch hinter sich zu bringen, daß sie noch zu einem anständigen Mittagessen kommen. Der Held meines Buches, ein gewisser Clifford Standforth, Mitglied des Königlichen Chirurgenkollegiums, war ein glänzender, aufrechter und seriöser junger Chirurg, keineswegs jener Sorte Burschen zugehörig, über die sich schon in der ersten halben Stunde ganz St. Swithin, bis zu den Studenten des ersten Semesters hinunter, lustig machte.
    Als nach einigen Wochen Arbeit das Konzeptpapier rund um mich so dicht auf dem Fußboden lag wie der Schnee auf einer Weihnachtskarte, fühlte ich wie jeder andere Eremit das dringende Bedürfnis nach einer ausgiebigen Mahlzeit und ein bißchen Konversation, und lud mich zum Dinner in Miles' Wohnung ein. Ich hielt es endlich an der Zeit, ihm Sir Lancelots Bemerkung weiterzugeben, er solle seine Kollegen ein bißchen mehr auf den Rücken klopfen; doch ich fand den armen Kerl noch tiefer in den Zustand akuter Melancholie verstrickt.
    «Was ist denn jetzt wieder los?» fragte ich. «Ereifert sich Sir Lancelot noch immer wegen des Parkplatzes?»
    «Barefoot», erwiderte Miles.
    «Oh», sagte ich.
    «Auch er bewirbt sich um den Posten.»
    «So ein Pech», meinte ich verständnisvoll.
    «Alles hat sich gegen mich verschworen», klagte Miles. «Ich dachte, der Kerl hätte sich lebenslänglich als Dozent für Chirurgie in West Riding niedergelassen.»
    «Er ist wohl dein einziger emstzunehmender Rivale?»
    «Wie immer schon», bestätigte Miles bitter. «Du hast doch nie ein Wort verlauten lassen, Gaston? Über den wahren Sachverhalt?»
    Ich schüttelte den Kopf. «Nicht einmal Connie gegenüber.»
    «Danke, Gaston. Ich weiß das aufrichtigst zu schätzen.»
    Er tat mir so leid, daß ich meine Zuflucht zu seinem Whisky und Soda nehmen mußte. Der Barefoot-Zwischenfall war der einzige dunkle Punkt in Miles' sonst recht eintönigen grünen Jahren. Sämtliche Leute im St. Swithin hielten damals den Fall für ziemlich mysteriös; die allgemeine Meinung ging dahin, daß der arme Kerl infolge jahrelanger chronischer Überarbeitung einen Nervenzusammenbruch erlitten habe — für Studenten meiner Sorte, die an lange Erholungspausen zwischen den einzelnen Prüfungen glaubten, eine höchst erbauliche Annahme.
    Das Ganze war passiert, knapp bevor Miles zu den Abschlußprüfungen antrat, und Connie war noch keinem von uns über den Weg gelaufen. Charlie Barefoot war ein kleiner, schlampiger, rosiger Bursche, eine Art bebrillter Cherub, und die beiden hatten einander in der ersten Woche zu St. Swithin über jenem ekligen Katzenhai kennengelernt.
    «Ist das nicht Humes , das Sie da tragen?» fragte Miles, als beide eines Morgens auf den Beginn der Vorlesungen warteten.
    Barefoot nickte. «Ich halte meinen Geist gern beschäftigt, wenn ich irgendwo zu warten hab — auf dem

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