Doktor im Glück
versichern, daß ich dir, geschieht es trotzdem, den Hals brechen werde.»
Es war mir direkt ein Trost, zu entdecken, daß Schwester Jones ihre Hiebe unparteiisch austeilte.
Von da an stattete ich Nutbeam Hall weniger Visiten ab, da auch Seine Gnaden nicht mehr meiner ständigen Betreuung bedurfte. Nicht einmal mehr die Percy Nutbeams brauchten dem achtundzwanzigsten Mai mit Bangen entgegenzublicken, da der Lord stündlich gesünder und kräftiger wurde. Unter dem besänftigenden Einfluß der kommenden Reichtümer wurde das grausige Paar sogar recht freundlich zu mir, ja lud mich mit einer Menge ihrer Freunde zu einer Cocktail-Party ein — die sahen übrigens aus, als wären sie in einem Viehwaggon transportiert worden.
Endlich dämmerte der achtundzwanzigste Mai heran, ein Sommertag von elysischer Heiterkeit. Nachmittags fuhr ich nach Nutbeam Hall hinüber, um meine Abschiedsvisite zu machen.
In der Halle standen Percy und Amanda; sie sahen aus, als hätten sie eben ihren Reingewinn errechnet.
«Dr. Grimsdyke», begrüßte mich Percy ohne Umschweife, «wir beide möchten Ihnen dafür danken, daß Sie uns meinen Bruder zurückgegeben haben.»
«Es ist uns ein großer Trost, ihn heute in unserer Mitte zu haben. Und selbstverständlich noch viele weitere Jahre.»
«Wenn Gott ihn am Leben erhält», fügte Percy hinzu und blickte abermals zum Kronleuchter empor.
«Um Ihnen unsere Anerkennung auszudrücken», sprach Amanda weiter, «bitten mein Mann und ich Sie, dieses kleine Geschenk anzunehmen. Ich hoffe, es wird Sie stets an einen Ihrer ersten erfolgreichen Fälle erinnern.»
Worauf mir Percy eine goldene Zigarettendose in einem Etui von Cartier überreichte.
Ich stotterte einige Dankesworte hervor; wieviel hatten sie wohl von ihrem Reingewinn dafür abgeschrieben? Dann erklärte ich, mich vom Patienten persönlich verabschieden zu wollen.
«Mein Bruder befindet sich augenblicklich noch auf seiner Nachmittagsfahrt», teilte mir Percy mit, «aber wir erwarten ihn jede Minute.»
«Er entfernt sich nie gern weit von Nutbeam Hall», sagte Amanda.
«Warten Sie hier auf ihn, Doktor. Vielleicht ein Täßchen Tee gefällig?»
In diesem Augenblick hörten wir den Daimler in der Auffahrt, und als wir die Eingangstüre öffneten, stieg gerade Lord Nutbeam mit Schwester Jones aus dem Wagen. Da fiel mir etwas an ihm auf — vielleicht war es sein Blick, der Blick eines Burschen, der am Ende eines erbitterten Fußballspiels nach der ersten Maß Bier greift —, was mich veranlaßte, die Zigarettendose in meine Tasche gleiten zu lassen und mich seelisch auf einen Wirbel vorzubereiten.
«Percy... Amanda», begann Lord Nutbeam, «erlaubt mir, euch Lady Nutbeam vorzustellen.»
Die zwei Honourables sahen aus, als hätten sie mitten durch einen brennenden Scheiterhaufen rennen müssen.
«Aber das ist doch unmöglich!» rief Mrs. Nutbeam.
«Keineswegs unmöglich, meine liebe Amanda. Ethel und ich wurden vor einer halben Stunde im Standesamt von Gloucester getraut. Zwei sehr nette junge Männer vom Wasserwerk waren unsere Zeugen.»
Percy Nutbeam schnappte nach Luft. «Aber das Geld!»
«Leider existiert das nicht mehr, Percy. Zumindest nicht für euch. Die Schenkungsurkunde wurde selbstverständlich dadurch annulliert, daß ich vor Ablauf der fünf Jahre heiratete. Wenn ich eines Tages sterbe, wirst du den Titel erben, außer Ethel und ich werden mit Kindern gesegnet...»
Mrs. Nutbeam brach in Tränen aus.
«Aber ich zweifle überhaupt, daß viel Geld Zurückbleiben wird, denn ich beabsichtige es auszugeben. Ich erkenne jetzt, wie sehr ich mein Leben vergeudet habe, weil ihr beide so fein schlau darauf bedacht wart, mich ständig unter Kontrolle zu halten. Ich bin alles andere als kränklich. Ethel sagt, daß ich so kräftig wie ein Zwanziger bin. Ich wußte, wieviel mir entgangen ist, seit dem Moment, da ich unter all den netten jungen Leuten im Spital lebte.»
Lord Nutbeam blickte wohlwollend lächelnd um sich.
«Lieber Doktor, erinnern Sie sich, wie ich einmal Grays erwähnte? Damals wollte ich zitieren: — ein reizendes Gedicht. Nun, ab heute werde ich weithin sichtbar blühen. Ethel und ich fahren morgen weg, um unsere Flitterwochen in Monte Carlo zu verbringen. Sie müssen uns einmal besuchen kommen, Doktor, sobald wir Quartier gefunden haben. Du wirst es wahrscheinlich
Weitere Kostenlose Bücher