Doktor im Glück
meinen Cousin an.
«Riesig nett von Ihnen», stammelte er.
«Sie arbeiten aber noch schrecklich spät.»
Sie gab der Bettdecke einen abschließenden Klaps.
«Oh, finden Sie? Ich liebe meine Arbeit. Sind Sie neu auf der Station?»
«Ich bin gestern vom Ausbildungskurs hierher überstellt worden. Ich heiße Schwester Crimpole.»
«Und ich Miles Grimsdyke.»
«Oh, das wußte ich natürlich.»
«Wieso denn?»
«Jeder Mensch im Spital hat doch schon vom klugen Miles Grimsdyke gehört. Der so ganz anders ist als die übrigen.»
Sie lächelte ihm abermals zu. Miles' Magen benahm sich, als hätte er ein ganzes Nest von Glühwürmchen verschlungen.
«Was würdest du als die differentialen Merkmale einer akuten Nierenentzündung bezeichnen?» fragte Charlie Barefoot abends über Mrs. Cappers Tischdecke aus rotem Plüsch hinweg.
Miles riß seine Blicke von Mr. Cappers Büffelgruppe auf dem Kaminsims.
«Wie bitte?»
«Ist dir nicht gut?» Barefoot war ganz verstört. «Du hast deinen Kakao nicht angerührt.»
«O doch, es geht mir ausgezeichnet, danke. Springlebendig wie ein Floh. Möglicherweise hab ich mich bei den Samstagausflügen ein bißchen überanstrengt. Tut mir leid, Alter.»
«Ist ja nichts dabei. War heut abend was Interessantes auf der Station los?»
«Nein. Nichts Erwähnenswertes», sagte Miles.
Dreizehntes Kapitel
Am nächsten Samstag teilte Miles Barefoot mit, daß er seine Tante in Sydenham besuchen fahre, und ging mit Schwester Crimpole ins Kino.
«Sie dürfen nicht so schrecklich viel arbeiten», flüsterte sie, als er nachher vor dem Eingang der Leichenkammer ihr Händchen hielt. «Ich möchte nicht, daß Ihnen etwas zustößt.»
«Vielleicht werde ich die Abendarbeit ein bißchen einschränken, Dulde. Die Schlußprüfungen liegen noch in endlos weiter Ferne.»
«Und ich bin überzeugt, Sie kriegen lange nicht genug zu essen.»
«Mrs. Capper hält mich etwas knapp mit hochwertigen Proteinen, das gebe ich zu.»
«Achten Sie auf Ihre Gesundheit, Miles — ja?» Sie blickte ihm in die Augen und streichelte seinen Rockaufschlag. «Mir zuliebe.»
In der nächsten Woche teilte Miles Barefoot mit, daß er seinen Onkel in Beckenham besuchen fahre, und ging mit Schwester Crimpole ins Palladium.
Zum erstenmal in seinem Leben stellte der gute Miles fest, daß er unfähig war, sich zu konzentrieren. Im Gegensatz zu mir, dessen Gedanken die Neigung zeigen, von den Büchern zu Lords Cricketplatz oder nach Epsom zu schweifen, konnte Miles sein Gehirn kontrollieren wie ein Preisboxer seine Muskeln. Doch nun schaltete sich ständig Schwester Crimpoles Lächeln zwischen ihn und Dinge wie die elektrokardiographische Diagnose von Fallots Tetralogie. Bisher hatte noch keine Schwester ihre Zeit an den armen Kerl verschwendet, wo es doch auf der Station so großartige Leute wie Spitalsärzte und Assistenten gab. Und wenn man es genau bedachte, so hatte überhaupt noch keine Frau ihre Zeit an ihn verschwendet. Ich wollte, ich hätte damals um alles gewußt. Dann hätte ich mir den Burschen vorgeknöpft und ihm meinen väterlichen Rat zuteil werden lassen.
Am nächsten Samstag wollte Miles Barefoot mitteilen, daß er seinen Neffen in Croydon besuchen fahre, und mit Schwester Crimpole ins Corner House gehen. Als er in den Spülraum der Station schlüpfte, um seine Einladung vorzubringen, entdeckte er zu seiner Überraschung Dulde in heiterem Geplauder mit seinem Zimmergenossen.
«Wollte nur nach meinen Diabetiker-Harnproben schauen», sagte er schnell.
«Wurden bereits ins pathologische Labor hinuntergeschafft, Alter»,. sagte ihm Charlie Barefoot. «Wenn du dorthin gehst, komm ich mit dir und geh mir meine eigenen holen. Bye bye, Dulde», verabschiedete er sich von Schwester Crimpole. «Auf Wiedersehen am Samstag.»
«Um zwei vorm Schwesternheim», erwiderte sie und vertiefte sich wieder in das Blankscheuern der Leibschüsseln.
Miles war zumut, als wäre er der Elektroschockbehandlung unterzogen worden, die er in der psychiatrischen Abteilung gesehen hatte. Dem Idioten war es nie in den Sinn gekommen, daß Dulcie Crimpole auch für jemand anderen Augen haben könnte — am allerwenigsten, dachte er erbittert, für solch einen unbeholfenen alten Bücherwurm wie Charlie Barefoot.
«Kennst du Schwester Crimpole schon lang?» fragte er im Pathologielabor, und seine Hand zitterte, als er eine Flasche von Benedicts Reagens entkorkte.
«Habe sie ab und zu auf der Station gesehen.»
Miles schaltete eine
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