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Doktor Pascal - 20

Doktor Pascal - 20

Titel: Doktor Pascal - 20 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Besuch! Das ist aber nett von euch, kommt und erfrischt euch.«
    Doch Maximes Anwesenheit beunruhigte ihn. Wer war das? Was wollte er? Man nannte ihm seinen Namen, und sogleich unterbrach er die Erklärungen, die man hinzufügte, um ihm zu helfen, sich in den verwickelten Verwandtschaftsverhältnissen zurechtzufinden.
    »Der Vater von Charles, ich weiß, ich weiß! Der Sohn meines Neffen Saccard, gewiß doch, der eine gute Partie gemacht hat und dessen Frau gestorben ist.«
    Er sah Maxime prüfend an und freute sich, daß dieser schon mit zweiunddreißig Jahren Falten im Gesicht und graue Strähnen im Haar hatte.
    »Ach ja doch«, fügte er hinzu, »wir werden alle alt … Ich brauche mich freilich nicht allzusehr zu beklagen, ich bin stabil.«
    Triumphierend stand er da, das Gesicht wie gesotten und flammend, glühendrot wie Kohlenglut. Seit langem schon schmeckte ihm der gewöhnliche Branntwein wie das reinste Wasser; nur der Hochprozentige kitzelte noch seine ausgepichte Kehle; und er trank ihn in solchen Mengen, daß er davon überlief, sein Fleisch wie ein Schwamm damit durchtränkt und vollgesogen war. Seine Haut schwitzte Alkohol aus. Wenn er sprach, strömte beim geringsten Hauch Alkoholdunst aus seinem Mund.
    »Ja, gewiß, Ihr seid stabil, Onkel!« sagte Pascal voll Bewunderung. »Und Ihr habt nichts dazu getan, Ihr habt ganz recht, Euch über uns lustig zu machen … Seht Ihr, ich fürchte nur eines, nämlich daß Ihr eines Tages, wenn Ihr Eure Pfeife anzündet, Euch selber in Brand steckt wie ein Glas Punsch.«
    Geschmeichelt brach Macquart in lärmende Heiterkeit aus.
    »Mach dich nur lustig, mach dich nur lustig, mein Kleiner! Ein Glas Cognac, das ist besser als deine mistigen Pillen … Und ihr werdet alle einen trinken, was? Damit man sagen kann, daß euer Onkel euch allen Ehre macht. Ich pfeife auf die bösen Zungen. Ich habe Getreide, ich habe Ölbäume, ich habe Mandelbäume und Weinberge und Felder wie ein Bürger. Im Sommer rauche ich meine Pfeife im Schatten meiner Maulbeerbäume; im Winter rauche ich sie dort an meiner Mauer in der Sonne. Nun ja doch, über so einen Onkel braucht man nicht zu erröten! Clotilde, ich habe auch Fruchtsaft, wenn du welchen möchtest. Und Ihr, meine liebe Félicité, Ihr mögt lieber Anislikör, wie ich weiß. Es ist alles da, sage ich euch, bei mir ist alles da!«
    Er machte eine weit ausholende Gebärde, als wollte er den Besitz umfassen, der ihm, dem zum Einsiedler gewordenen alten Spitzbuben, sein Wohlleben ermöglichte, während Félicité, die er mit der Aufzählung seiner Reichtümer in Schrecken versetzte, ihn nicht aus den Augen ließ, um ihm im gegebenen Moment ins Wort zu fallen.
    »Danke, Macquart, wir wollen nichts zu uns nehmen, wir sind in Eile … Wo ist denn Charles?«
    »Charles, schon gut, nachher! Ich hab das schon begriffen, der Papa kommt das Kind besuchen … Aber das soll uns nicht hindern, einen Schluck zu trinken.«
    Und als man rundweg ablehnte, war er beleidigt und sagte mit seinem bösen Lachen:
    »Charles ist nicht da, er ist in der Anstalt bei der Alten.«
    Er nahm Maxime mit ans Ende der Terrasse und zeigte ihm die großen weißen Gebäude mit ihren Gärten, die von Mauern eingeschlossen waren wie Gefängnishöfe.
    »Da, lieber Neffe, seht Ihr drei Bäume vor uns. Und über dem linken den Brunnen in dem einen Hof. Im Erdgeschoß das fünfte Fenster rechts ist das von Tante Dide. Und dort ist der Kleine … Ja, ich habe ihn vorhin hingebracht.«
    Das wurde von der Verwaltung geduldet. In den einundzwanzig Jahren, die die alte Frau in der Irrenanstalt war, hatte sie ihrer Wärterin keine Sorgen bereitet. Sehr ruhig, sehr sanft, reglos in ihrem Lehnstuhl sitzend, verbrachte sie die Tage damit, vor sich hinzuschauen; und da das Kind gern bei ihr war, da sie selber sich für den Kleinen zu interessieren schien, ließ man diesen Verstoß gegen die Hausordnung durchgehen; der Knabe durfte zuweilen zwei oder drei Stunden bei ihr bleiben und Bilder ausschneiden.
    Aber diese neue Ungelegenheit hatte Félicités schlechte Laune auf den Höhepunkt getrieben. Sie wurde böse, als Macquart vorschlug, sie sollten doch alle fünf zusammen den Kleinen holen gehen.
    »Was denkt Ihr Euch denn! Geht nur allein und kommt schnell wieder zurück … Wir haben keine Zeit zu verlieren.«
    Sie konnte nur mühsam verbergen, wie sehr sie vor Zorn bebte, und dem Onkel schien das Spaß zu machen; nun, da er fühlte, daß sie ihn nicht ausstehen konnte, beharrte er

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