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Doktor Pascal - 20

Doktor Pascal - 20

Titel: Doktor Pascal - 20 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Paar. Einen ganzen langen Monat schlossen sie sich ein, verließen nicht ein einziges Mal die Souleiade. Zuerst genügte ihnen sogar das Zimmer, das mit einer jämmerlichen alten rosa Indienne bespannte Zimmer mit seinen EmpireMöbeln, seiner breiten, harten Chaiselongue, seinem monumentalen hohen Wandspiegel. Sie freuten sich jedesmal, wenn sie die Stutzuhr anschauten, die Schmucksäule aus vergoldeter Bronze mit ihrem Amor, der lächelnd die schlummernde Zeit betrachtet. War das nicht eine Anspielung? Sie scherzten zuweilen darüber. Die unbedeutendsten Dinge, der trauliche alte Hausrat, in dem schon andere vor ihnen geliebt hatten und in den jetzt Clotilde mit ihrem Frühling eingezogen war, brachten ihnen ein zärtliches geheimes Einverständnis entgegen. Eines Abends schwor sie, sie habe in ihrem Spiegel eine sehr hübsche Dame gesehen, die sich entkleidete, doch sei es ganz gewiß nicht sie selber gewesen; dann, von neuem ihrer Neigung zu Phantastereien nachgebend, träumte sie ganz laut, sie würde hundert Jahre später ebenso einer liebenden Frau am Abend vor einer Nacht des Glücks erscheinen. Pascal war entzückt; er liebte dieses Zimmer, in dem er sie so ganz wiederfand, sogar in der Luft, die er hier atmete; und er lebte jetzt dort, er bewohnte nicht mehr sein eigenes düsteres, eiskaltes Zimmer, das er die seltenen Male, die er es betreten mußte, eilig wieder verließ, schaudernd, als käme er aus einem Keller. Der andere Raum, in dem sie beide sich ebenfalls gern aufhielten, war das große Arbeitszimmer, das sie an ihre Gewohnheiten und ihre frühere Zuneigung erinnerte. Sie verbrachten ganze Tage dort, arbeiteten jedoch kaum darin. Der große geschnitzte Eichenschrank schlief mit geschlossenen Türen, ebenso die Bücherschränke. Auf den Tischen häuften sich die Papiere und Bücher, ohne daß sie jemand wegräumte. Wie junge Eheleute lebten Clotilde und Pascal einzig ihrer Leidenschaft, fern ihren früheren Beschäftigungen, fern dem alltäglichen Leben. Die Stunden schienen ihnen zu kurz, um den Zauber ihres Zusammenseins auszukosten. Oft saßen sie zu zweit in dem alten breiten Lehnstuhl, glücklich über die Lieblichkeit der hohen Zimmerdecke, über dieses ihr Reich ohne Luxus und ohne Ordnung, mit seinen vertrauten Gegenständen, das vom Morgen bis zum Abend in die wiederkehrende angenehme Wärme der Aprilsonne getaucht war. Wenn ihn Gewissensbisse plagten und er vom Arbeiten sprach, umschlang sie ihn mit ihren biegsamen Armen und hielt ihn lachend fest, da sie nicht wollte, daß allzuviel Arbeit ihn ihr wieder krank machte. Und ebenso liebten sie das freundliche Eßzimmer im Erdgeschoß, seine mit blauen Leisten abgesetzten hellen Paneele, seine Möbel aus altem Mahagoni, seine großen blühenden Pastellgemälde, seine stets glänzende kupferne Hängelampe. Hier aßen sie mit gutem Appetit, um nach jeder Mahlzeit wieder in ihre geliebte Einsamkeit hinaufzusteigen.
    Und wenn das Haus ihnen zu klein schien, hatten sie den Garten, die ganze Souleiade. Mit der höher steigenden Sonne zog der Frühling ein; als der April zu Ende ging, begannen die Rosen zu blühen. Welche Freude hatten sie an diesem Besitztum, das ringsum von Mauern umschlossen war und wo sie von außen nicht gestört werden konnten. Oft verweilten sie lange auf der Terrasse und blickten in die unermeßliche Weite, die sich von den Felsenklippen der Seille bis zur dunstigen Ferne des Tales von Plassans erstreckte und in der sich die von Bäumen beschattete Viorne und die Hänge von SainteMarthe dahinzogen. Den einzigen Schatten spendeten die beiden hundertjährigen Zypressen, die an beiden Enden der Terrasse standen gleich zwei riesigen grünlichen Kerzen, die man schon aus drei Meilen Entfernung sah. Zuweilen gingen sie den Abhang hinunter, einzig um des Vergnügens willen, die gewaltigen Stufen wieder hinaufzusteigen; sie kletterten über die mörtellos gefügten kleinen Steinmauern, die das Erdreich stützten, und schauten nach, ob die kümmerlichen Ölbäume und die mageren Mandelbäume Knospen trieben. Sehr oft machten sie herrliche Spaziergänge unter den sonnengetränkten feinen Nadeln des Pinienhaines, die einen kräftigen Harzgeruch ausströmten, oder gingen immer wieder an der Umfassungsmauer entlang, hinter der man nur hin und wieder das Rattern eines Karrens auf dem schmalen Weg nach Les Fenouillères vernahm. Entzückt verweilten sie auf der alten Tenne, von wo aus man den ganzen Himmel überblickte, legten sich dort

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