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Doktor Pascal - 20

Doktor Pascal - 20

Titel: Doktor Pascal - 20 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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erbleichen. Sie sagte kein Wort, sie drehte sich auf dem Absatz um, ging hinunter und sank in ihrer Küche nieder, die Ellbogen auf ihren Hackklotz gestützt, die Hände schluchzend vors Gesicht geschlagen.
    Unruhig und bekümmert war Clotilde ihr gefolgt. Und sie versuchte, ihr Verhalten zu begreifen und Martine zu trösten.
    »Na hör mal, du bist wohl nicht gescheit! Was ist denn in dich gefahren? Der Meister und ich werden dich trotzdem liebhaben, wir werden dich immer bei uns behalten … Weil wir geheiratet haben, brauchst du doch nicht unglücklich zu sein. Im Gegenteil, das Haus wird jetzt von morgens bis abends fröhlich sein.«
    Aber Martine schluchzte immer heftiger.
    »So antworte mir doch wenigstens. Sag mir, warum du böse bist und warum du weinst … Du freust dich also nicht darüber, daß der Meister so glücklich ist, so glücklich! Ich werde ihn rufen, den Meister, und er wird dich schon zum Sprechen bringen.«
    Bei dieser Drohung stand die alte Magd plötzlich auf und stürzte in ihre Kammer, die neben der Küche lag; mit wütender Gebärde stieß sie die Tür zu und schloß sich ein. Vergeblich mühte sich das junge Mädchen ab, rief und klopfte.
    Auf den Lärm hin kam Pascal schließlich herunter.
    »Nun, was ist denn?«
    »Ach, Martine, dieser Starrkopf! Denk dir nur, sie hat angefangen zu schluchzen, als sie von unserm Glück erfuhr. Jetzt hat sie sich in ihrer Kammer verbarrikadiert und rührt sich nicht mehr.«
    Sie rührte sich wirklich nicht mehr. Pascal rief und klopfte nun auch. Er wurde böse, beruhigte sich dann wieder. Sie fingen nacheinander immer wieder von neuem an. Keine Antwort, Totenstille herrschte in der kleinen Kammer. Und sie sahen sie richtig vor sich, diese kleine Kammer mit der Nußbaumkommode und dem klösterlichen Gurtbett mit weißen Vorhängen, in der Martine auf peinlichste Sauberkeit hielt. Zweifellos hatte sie sich auf das Bett geworfen, in dem sie ihr ganzes Frauenleben lang allein geschlafen hatte, und erstickte ihr Schluchzen in den Kissen.
    »Ach, wenn sie es nicht anders haben will!« sagte schließlich Clotilde im Egoismus ihrer Freude. »Soll sie schmollen!«
    Dann faßte sie Pascal mit ihren kühlen Händen und hob ihr bezauberndes Antlitz zu ihm empor, in dem noch immer der glühende Wunsch brannte, sich hinzugeben, sein Eigentum zu sein.
    »Weißt du was, Meister, heute werde ich deine Magd sein.«
    Dankbar und gerührt küßte er sie auf die Augen; und sogleich begann sie, sich mit dem Mittagessen zu befassen, und stellte die Küche auf den Kopf. Sie hatte sich eine große weiße Schürze umgebunden und sah köstlich aus; wie zu einer gewaltigen Arbeit hatte sie die Ärmel hochgestreift, so daß man ihre zarten Arme sah. Es standen schon Koteletts bereit, die sie brutzeln ließ. Sie machte Rühreier dazu, und sogar Pommes frites brachte sie zustande. Es war ein ausgezeichnetes Mittagessen, das wohl zwanzigmal dadurch unterbrochen wurde, daß sie eifrig hin und her lief, um Brot, Wasser oder eine vergessene Gabel zu holen. Hätte Pascal es geduldet, so hätte sie ihn auf Knien bedient. Ach, allein sein, nur noch zu zweit in diesem vertrauten großen Haus, sich fern der Welt fühlen und frei und ungezwungen lachen und sich in Frieden lieben können!
    Den ganzen Nachmittag über hielten sie sich mit dem Haushalt auf, fegten, machten das Bett. Er selber hatte ihr helfen wollen. Es war ein Spiel, sie vergnügten sich wie fröhliche Kinder. Von Zeit zu Zeit jedoch gingen sie wieder an Martines Tür und klopften. So was Verrücktes, sie wollte doch wohl nicht Hungers sterben! Hatte man je einen solchen Dickschädel gesehen, wo ihr doch niemand etwas getan oder gesagt hatte! Doch das Klopfen hallte nur immer in der trübseligen Leere der Kammer wider. Es wurde Abend, sie mußten sich nun auch mit dem Abendbrot beschäftigen, das sie, eng aneinandergeschmiegt, von demselben Teller aßen. Bevor sie zu Bett gingen, machten sie einen letzten Versuch und drohten, die Tür einzustoßen; doch selbst wenn sie das Ohr an das Holz preßten, hörten sie nicht den leisesten Hauch. Und als sie am nächsten Morgen nach dem Erwachen wieder hinuntergingen, waren sie ernstlich besorgt, weil sich nichts gerührt hatte und die Tür noch immer hermetisch verschlossen war. Vierundzwanzig Stunden lang hatte das Dienstmädchen nun schon kein Lebenszeichen von sich gegeben.
    Als Pascal und Clotilde dann wieder in die Küche kamen, die sie für einen Augenblick verlassen hatten, sahen

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