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Doktor Pascal - 20

Doktor Pascal - 20

Titel: Doktor Pascal - 20 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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nieder und dachten mit Rührung an ihre Tränen von einst, als ihre Liebe, ihnen selber unbewußt, unter den Sternen mit sich im Streit lag. Doch der bevorzugte Schlupfwinkel, zu dem sie immer wieder ihre Zuflucht nahmen, waren die fünf Platanen, das dichte schattige Laub, das jetzt zartgrün war und einem Spitzengewebe glich. Die riesigen Buchsbaumsträucher darunter, die einstigen Rabatten des verschwundenen französischen Gartens, bildeten eine Art Labyrinth, dessen Ende sie niemals fanden. Und der dünne Wasserstrahl des Brunnens, der ewige, reine, kristallene Klang schien in ihren Herzen zu singen. Sie blieben neben dem bemoosten Becken sitzen, bis die Dämmerung herniedersank, und tauchten allmählich in das Dunkel der Bäume ein, Hand in Hand und Mund an Mund, während das Wasser, das nicht mehr zu sehen war, seinen feinen, dünnen Klang unaufhörlich an und abschwellen ließ.
    Bis Mitte Mai schlossen sie sich auf diese Weise
    ein, ohne die Schwelle ihres Schlupfwinkels zu überschreiten. Eines Morgens, als Clotilde länger liegenblieb, verschwand Pascal und kehrte eine Stunde später wieder zurück; und als er sie in ihrer reizenden Unordnung, mit nackten Armen und nackten Schultern, noch im Bett antraf, schmückte er ihre Ohren mit zwei Brillanten, die er in aller Eile gekauft hatte, da ihm eingefallen war, daß sie an diesem Tag Geburtstag hatte. Sie liebte Schmuck leidenschaftlich, sie war überrascht und erstaunt und wollte nicht mehr aufstehen, so schön fand sie sich in ihrer Nacktheit mit diesen Sternen an den Wangen. Von diesem Augenblick an verging keine Woche, ohne daß Pascal auf diese Weise ein oder zweimal morgens aus dem Haus ging und irgendein Geschenk mitbrachte. Die geringsten Anlässe waren ihm dazu gut, ein Fest, ein Wunsch, eine einfache Freude. Er nutzte die Tage, an denen sie faulenzte, richtete sich so ein, daß er zurück war, bevor sie aufstand, und schmückte sie dann im Bett mit eigener Hand. Er schenkte ihr Ringe, Armbänder, eine Halskette, ein schmales Stirnband. Jedesmal holte er auch die anderen Schmuckstücke hervor und machte sich ein Spiel daraus, sie ihr alle anzulegen, während sie beide lachten. Wie das Bild einer Göttin saß Clotilde, den Rücken an das Kopfkissen gelehnt, aufrecht im Bett, mit Gold beladen, ein goldenes Band im Haar, Gold an ihren nackten Armen, Gold auf ihrem nackten Busen, ganz nackt und göttlich, von Gold und Edelsteinen überrieselt. Ihre weibliche Eitelkeit wurde dadurch auf köstliche Weise befriedigt; sie ließ sich auf Knien lieben und fühlte sehr wohl, daß dies nur eine übersteigerte Form der Liebe war. Dennoch begann sie ein wenig zu schelten und mahnte ihn zur Vernunft, denn es wurde nachgerade unsinnig, ihr solche Geschenke zu machen, die sie doch nur in ein Schubfach einschließen mußte, ohne sie jemals zu tragen, da sie ja nirgends hinging. Sie gerieten in Vergessenheit, nachdem sie ihnen, solange sie neu waren, eine Stunde der Genugtuung und der Dankbarkeit verschafft hatten. Doch er hörte nicht auf Clotilde, eine wahre Schenkwut hatte ihn gepackt. Sobald ihm der Gedanke kam, Clotilde etwas zu schenken, mußte er diesen Gegenstand kaufen. Es war eine Freigebigkeit des Herzens, ein gebieterisches Verlangen, ihr zu beweisen, daß er immer an sie dachte, der Stolz, sie als die Herrlichste, die Glücklichste, die am meisten Beneidete zu sehen; das tiefe Gefühl, das er mit dem Schenken verband, trieb ihn, alles hinzugeben, nichts zu behalten von seinem Geld, von seinem Fleisch, von seinem Leben. Und welche Wonne, wenn er glaubte, ihr eine wirkliche Freude bereitet zu haben, wenn sie ihm heiß errötend um den Hals fiel und ihm mit herzhaften Küssen dankte! Nach dem Schmuck waren es Kleider, Tücher, Toilettengegenstände. Das Zimmer war vollgestopft, die Schubfächer quollen fast über.
    Eines Morgens wurde sie ärgerlich. Er hatte einen neuen Ring mitgebracht.
    »Aber wenn ich doch niemals welche trage! Und sieh doch, wenn ich sie alle ansteckte, hätte ich gar nicht so viele Finger … Ich bitte dich, sei vernünftig.«
    Er war bestürzt.
    »Ich habe dir also keine Freude gemacht?«
    Sie mußte ihn in die Arme nehmen, ihm mit Tränen in den Augen schwören, daß sie sehr glücklich sei. Er war so gütig, er verausgabte sich so völlig für sie! Und als er an jenem Morgen davon zu sprechen wagte, daß er das Zimmer neu herrichten, die Wände mit Stoff bespannen und einen Teppich legen lassen wolle, flehte sie ihn von neuem an:
    »O

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