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Doktor Proktors Zeitbadewanne

Doktor Proktors Zeitbadewanne

Titel: Doktor Proktors Zeitbadewanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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voll. Als sie am nächsten Morgen mit Kopfweh, Halsweh und wehen Füßen aufwachten, hatten die meisten das Liedchen wieder vergessen. Nicht aber Blutbrunn. Er sang das Lied weiter bis an sein Lebensende, er brachte es seinen Kindern und Kindeskindern bei und noch heute wird es überall dort gesungen, wo seine Nachkommen leben.
    »Habt ihr die Zeitseife dabei?«, fragte Proktor atemlos. Lise, Bulle und er eilten durch die engen Gassen. Die beiden Kinder hatten keine Ahnung, wo sie sein mochten, er aber schien sich in den sonntagsstillen Sträßchen auszukennen.
    »Ich hab noch ein kleines bisschen«, sagte Lise. »Aber ich fürchte, für uns drei reicht das nicht mehr. Ich hab ein paar Umwege gebraucht, um herzukommen, wisst ihr.«
    »Ich hab noch ein kleines bisschen«, sagte Bulle. »Aber ich fürchte, für uns drei reicht das nicht mehr. Ich hab ein paar Umwege gebraucht, um herzukommen, wisst ihr.«
    »Dann hoffen wir mal, dass es zusammen ausreicht«, sagte Doktor Proktor, während sie um eine Ecke witschten. »Habt ihr Juliette gesehen? Wartet sie in der Pension?«

    Doch bevor sie antworten konnten, war Doktor Proktor so unvermittelt stehen geblieben, dass sie beide in ihn hineinrannten.
    »Oh nein!«, rief der Professor. »Jemand hat die Zeitbadewanne gestohlen. Schaut nur!«
    Sie schauten, aber viel war nicht zu sehen, nur ein verlassener Platz und ein paar leere Marktstände.
    »Dann hat jetzt also jemand eine neue Badewanne«, murmelte Bulle. »Was machen wir nun?«
    »Wo ist deine Badewanne, Bulle?«, fragte Lise.
    »An dem Ort, der in deiner Flaschenpost stand«, sagte Bulle. »In Pastille. Seltsamer Ort übrigens. Ich bin mitten in einem Hühnerhof gelandet.«
    »Ich hab Pastille und Bastille verwechselt«, sagte Lise. »Wenn wir nicht genug Zeitseife haben, müssen wir dort sein, bevor der Schaum verschwunden ist. Aber wie? Wir haben keine Schweine.«
    »Schweine?«, riefen Bulle und der Professor im Chor.
    »Vergesst es«, sagte Lise, die einsah, dass es zu lange dauern würde, das jetzt zu erklären. »Was sollen wir jetzt machen?«
    »Ja, was sollen wir jetzt machen?«, riefen Bulle und der Professor im Chor.
    Ratlos starrten die drei Freunde einander an.
    Und während sie so dastanden und einander ratlos anstarrten in dem Sonnenschein, der zwischen den hohen Pariser Häusern auf die Straße drang, hörten sie das lustige Klappern von Hufen und quietschende Holzräder. Sie drehten sich um. Ein braunes Pferd mit großen Scheuklappen kam um die Ecke getrabt. Und dahinter erschien eine Kutsche. Auf dem Kutschbock schwankte der Kutscher hin und her, als wollte er jeden Augenblick einschlafen. Unter den Augen hatte er dicke Tränensäcke und er trug einen zerschlissenen Mantel und einen mottenlöchrigen Zylinderhut, schwarz und hoch wie ein Ofenrohr.
    »Mitfahren?«, rief er unter Gähnen.
    »Wie bestellt!«, antwortete der Professor. »Kommt!«
    Eilig stiegen sie ein und die Kutsche rollte sofort an.
    Drinnen war Platz für ziemlich genau vier Passagiere und auch das kam wie bestellt, denn eine Person saß schon in der Kusche. Die Krempe ihres Zylinders war ihr über die Augen gerutscht und sie schlief offenbar tief, denn sie schwankte hin und her, im Takt mit den Bewegungen des Wagens.
    »Merkwürdig«, sagte Lise.
    »Was denn?«, fragte der Professor.
    »Der Kutscher hat gar nicht gefragt, wo wir hinwollen.«
    »Klare Sache.« Bulle lächelte überlegen. »Er setzt erst unseren Mitpassagier ab.«
    »Aber wir haben keine Zeit!«, sagte Lise. »Sollen wir ihn wecken und fragen, ob wir erst nach Pastille fahren können?«
    Der Professor schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, das wird auch nicht viel helfen, Lise. Der Schaum ist sicher schon weg.«
    Eine Zeit lang dachten sie alle drei angestrengt nach. Nur die Hufe, die in einem eifrigen Stepptanz übers Pflaster klapperten, waren zu hören.
    »Die Raspa war da«, sagte Lise. »In der Menge. Habt ihr sie gesehen?«
    »Nein«, sagte Doktor Proktor. »Aber es überrascht mich nicht.«
    »Aha?« Lise und Bulle sahen den Professor erstaunt an.
    »Es war ja meine Absicht, dass sie euch nach Paris folgt«, seufzte er.
    »Absicht?«, riefen Bulle und Lise – ja genau: im Chor.
    »Ja. Ich habe euch mit der Briefmarke in ihren Laden geschickt, damit sie erfuhr, dass ich auf Zeitreise bin, mit anderen Worten, dass ihre Erfindung funktioniert. Ich wusste, wenn sie das begreift, dann versucht sie herauszufinden, wo ich bin, und folgt mir, um mir meine Erfindung

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